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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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klopfte mit dem Finger an seine Schläfe. »Ya lo veo«, sagte er. »Ich habe ihn gesehen.« Er sprach ganz vorne an den Zähnen, fast ohne die Lippen zu bewegen, in einer Manier, die leiser ist als jedes Geflüster. Während Robert Jordan ihm zulächelte, zeigte der Alte mit dem einen Finger auf den Wachtposten und fuhr sich mit dem anderen quer über die Gurgel. Robert Jordan nickte, aber er lächelte nicht mehr.
 Die Wachthütte am anderen Ende der Brücke kehrte ihnen die Hinterseite zu, so daß sie nicht hineinschauen konnten. Die Straße, breit, geölt und gut gebaut, bog am anderen Ende der Brücke nach links ab und entschwand dann mit einer Rechtskurve den Blicken. An dieser Stelle hatte man einen Teil des festen Gesteins wegsprengen müssen, um die alte Straße zu ihrer jetzigen Breite zu erweitern, und der linke, westliche Rand – vom Paß und von der Brücke aus gesehen –, der jählings in die Schlucht hinabführte, war durch eine Reihe aufrecht stehender behauener Steinblöcke bezeichnet und geschützt. Fast wie ein Cañon war hier die Schlucht, hier, wo der Bach, über den die Brücke sich wölbte, in das Hauptgewässer des Passes mündete. »Und der andere Posten?« fragte Robert Jordan. »Fünfhundert Meter unterhalb dieser Biegung. In der Straßenwärterhütte, die in den Felsen hineingebaut ist.«
 »Wieviel Leute?« fragte Robert Jordan.
 Wieder beobachtete er durch sein Fernglas den Wachtposten. Der Mann drückte seine Zigarette an der Bretterwand des Häuschens aus, zog dann einen ledernen Tabaksbeutel aus der Tasche, öffnete das Papier der erloschenen Zigarette und schüttelte den Rest nichtverbrauchten Tabaks in den Beutel. Dann stand er auf, lehnte das Gewehr gegen die Wand und rekelte sich, dann griff er nach dem Gewehr, hängte es über die Schulter und ging hinaus, auf die Brücke zu.
 Anselmo preßte sich flach auf den Boden, Robert Jordan schob das Fernglas in die Hemdtasche und verbarg vorsichtig seinen Kopf hinter dem Kiefernstamm.
 »Sieben Mann und ein Korporal«, sagte Anselmo dicht an Jordans Ohr. »Ich habe mich bei dem Zigeuner erkundigt.«
 »Sobald er stillsteht, gehen wir«, sagte Robert Jordan. »Wir sind zu nahe dran.«
 »Hast du alles gesehen, was du brauchst?«
 »Ja. Alles, was ich brauche.«
 Jetzt nach Sonnenuntergang wurde es sehr schnell kühl, und die Dunkelheit brach herein, da der letzte Schimmer des Sonnenlichts hinter den Bergen verblaßte.
 »Wie sieht die Sache aus?« fragte Anselmo leise, während sie den Wachtposten beobachteten, wie er über die Brücke zu der anderen Hütte marschierte, das Bajonett hell schimmernd im Nachglanz des Abendlichts, seine Gestalt unförmig in der Filzpelerine.
 »Sehr gut«, sagte Robert Jordan. »Sehr, sehr gut.«
 »Das freut mich«, sagte Anselmo. »Wollen wir gehen? Jetzt besteht keine Gefahr, daß er uns sieht.« Der Wachtposten stand mit dem Rücken zu ihnen am anderen Ende der Brücke. Aus der Tiefe der Schlucht kam das Rauschen des Wassers. Dann mischte ein anderes Geräusch sich in diesen Lärm, ein gleichmäßiges lautes Surren, und sie sahen, wie der Wachtposten aufblickte und seine gestrickte Mütze nach hinten rutschte, und als sie sich umdrehten und aufblickten, da sahen sie hoch oben am Abendhimmel drei Eindecker in V-Formation, winzig und silbrig in jener Höhe, in der die Sonne noch schien, mit unglaublicher Schnelligkeit über den Himmel gleitend, während die Motoren gleichmäßig dröhnten.
 »Unsere?« fragte Anselmo.
 »Es scheint so«, sagte Robert Jordan, aber er wußte, daß man bei solcher Höhe nie ganz sicher sein konnte. Es konnte das eine Abendpatrouille des einen wie des anderen Partners sein. Aber man behauptet immer, daß es die unseren seien, wenn es sich um Jagdflugzeuge handelt, weil dann die Leute sich ruhiger fühlen. Mit Bombern ist es anders.
 Anselmo hatte anscheinend das gleiche Gefühl. »Es sind unsere«, sagte er. »Ich kann sie erkennen. Es sind Moscas .«
 »Gut«, sagte Robert Jordan. »Ich glaube auch, daß es Moscas sind.«
 »Es sind Moscas «, sagte Anselmo.
 Robert Jordan hätte das Fernglas nehmen und sich sogleich Gewißheit verschaffen können, aber das wollte er vermeiden. Ihm war es heute abend gleichgültig, ob das eigene oder feindliche Flieger waren, und wenn es dem Alten Spaß machte, sie für eigene zu halten, wollte er ihm seine Illusion nicht rauben. Als sie jetzt in der Richtung gegen Segovia entschwanden, ähnelten sie keineswegs der grünen,

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