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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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umgehängt, und eine Mauserpistole baumelte in ihrem Holzfutteral an seiner Hüfte. Als das Licht verschwand, suchte er im Dunkeln neben der Tür sein Rad, schob damit los, bis es zu knattern begann und der Motor ansprang, und ratterte dann die Straße hinauf.
 Gómez redete einen der Wachtposten an. »Hauptmann Gómez von der 65. Brigade«, sagte er. »Kannst du mir sagen, wo sich das Hauptquartier General Golz' befindet, der die 35. Division befehligt?«
 »Hier nicht«, sagte der Posten.
 »Was ist das hier?«
 »Die Comandancia.«
 »Was für eine Comandancia ?«
 »Na, die Comandancia .« »Die Comandancia von was?«
 »Wer bist du, daß du so viel fragst?« sagte der Posten im Dunkeln zu Gómez. Hier auf der Paßhöhe war der Himmel ganz hell und voller Sterne, und Andrés, dem Staub entronnen, konnte recht gut im Dunkeln sehen. Tief unten, wo die Straße nach rechts bog, sah er deutlich die Umrisse der Transport-und Personenautos, die am Horizont entlangglitten.
 »Ich bin Hauptmann Rogelio Gómez vom 1. Bataillon der 65. Brigade, und ich frage dich, wo das Hauptquartier von General Golz ist«, sagte Gómez.
 Der Posten öffnete die Tür einen Spalt breit. »Ruft den Korporal von der Wache!« rief er hinein.
 In diesem Augenblick kam ein großes Stabsauto um die Straßenbiegung gefahren und näherte sich dem Gebäude, vor dem Andrés und Gómez standen und auf den Korporal von der Wache warteten. Das Auto kam auf sie zu und hielt vor der Tür.
 Ein dicker Mann, alt und schwerfällig, auf dem Kopf eine übermäßig breite khakibraune Baskenmütze, wie sie die chasseurs à pied in der französischen Armee tragen, in einen Mantel gehüllt, eine Aktenmappe unterm Arm und eine Pistole über den schweren Mantel geschnallt, stieg aus dem Fond des Wagens, begleitet von zwei Männern in der Uniform der internationalen Brigaden.
 Er sprach Französisch, eine Sprache, von der Andrés kein einziges Wort und Gómez, der ehemalige Friseur, nur ein paar Wörter verstand, und befahl dem Chauffeur, das Auto von der Tür wegzuschaffen und an einen geschützten Ort zu bringen.
 Als er mit den beiden Offizieren in die Tür trat, sah Gómez deutlich sein Gesicht im Licht und erkannte ihn. Er hatte ihn auf politischen Versammlungen gesehen und öfters im Mundo Obrero aus dem Französischen übersetzte Artikel von ihm gelesen. Er kannte die buschigen Brauen wieder, die wässerig grauen Augen, das Doppelkinn, und er wußte, daß das eine der großen Gestalten des modernen revolutionären Frankreich war. Er hatte die Meuterei der französischen Matrosen im Schwarzen Meer geführt. Gómez wußte, welch hohe politische Stellung dieser Mann bei den internationalen Brigaden bekleidete, er wußte, daß dieser Mann ihm den Weg zu Golz' Hauptquartier würde angeben können. Er wußte nicht, was die Jahre, die Enttäuschungen, familiäre und politische Schwierigkeiten und gescheiterter Ehrgeiz aus diesem Mann gemacht hatten, und er wußte nicht, daß es nichts Gefährlicheres geben konnte, als eine Frage an ihn zu richten. Da er das nicht wußte, vertrat er ihm den Weg, grüßte mit geballter Faust und sagte: »Genosse Marty, wir haben eine Depesche für den General Golz. Können Sie uns sagen, wo sein Hauptquartier ist? Die Sache ist dringend.« Der hochgewachsene schwere Mann reckte den Kopf ein wenig vor und betrachtete Gómez aufmerksam mit seinen wässerigen Augen. Sogar hier an der Front, im Licht einer kahlen elektrischen Birne, nachdem er soeben im offenen Auto durch die frische Nachtluft gefahren war, sah sein graues Gesicht verfallen aus. Wie eine Maske, aus dem Unrat modelliert, der sich zwischen den Krallen eines uralten Löwen findet.
 » Was hast du, Genosse?« fragte er Gómez. Er sprach das Spanische mit einem starken katalanischen Akzent. Er warf einen Seitenblick auf Andrés, musterte ihn, sah dann wieder Gómez an.
 »Eine Depesche für General Golz, die in seinem Hauptquartier abzuliefern ist, Genosse Marty.«
 »Wo kommt ihr her, Genosse?«
 »Aus dem faschistischen Hinterland«, sagte Gómez.
 André Marty langte nach der Depesche und den übrigen Papieren, sah sie an und steckte sie in die Tasche.
 »Beide festnehmen!« sagte er zu dem Korporal von der Wache. »Durchsuchen und zu mir führen, sobald ich Bescheid gebe!« Die Depesche in der Tasche verschwand er in dem großen Steingebäude.
 Im Wachtzimmer wurden Gómez und Andrés von der Wache durchsucht.
 »Was ist denn mit diesem Menschen los?«

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