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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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fragte Gómez einen von der Wachmannschaft.
  »Está loco«, sagte der Soldat. »Er ist verrückt.«
 »Nein«, sagte Gómez. »Er ist eine bedeutende Persönlichkeit. Er ist oberster Kommissar der internationalen Brigaden.«
  »Apesar de eso, está loco«, sagte der Korporal. »Trotzdem ist er verrückt. Was macht ihr hinter den faschistischen Linien?«
 »Dieser Genosse hier ist ein guerrillero«, erwiderte Gómez, während der Mann ihn durchsuchte. »Er hat eine Depesche für General Golz. Gib gut acht auf meine Papiere! Sei vorsichtig mit dem Geld, und daß mir diese Kugel an der Schnur nicht verlorengeht! Sie ist ein Andenken an meine erste Verwundung bei Guadarrama.«
 »Keine Angst!« sagte der Korporal. »Ich lege alles in diese Schublade. Warum hast du nicht mich gefragt, wo Golz ist?«
 »Ich hab's versucht. Ich habe den Posten gefragt, und er hat dich gerufen.«
 »Aber dann kam der Verrückte, und du hast ihn gefragt. Man darf ihn nichts fragen. Er ist verrückt. Dein Golz sitzt weiter oben an der Straße, drei Kilometer von hier, auf der rechten Seite, in den Felsen des Waldes.«
 »Kannst du uns nicht laufen lassen?«
 »Nein, das würde mich den Kopf kosten. Ich muß dich zu dem Verrückten führen. Außerdem hat er ja deine Depesche.«
 »Kannst du nicht jemanden verständigen?«
 »Ja«, sagte der Korporal. »Sowie ich einen Verantwortlichen sehe, werde ich es ihm sagen. Alle wissen, daß er verrückt ist.«
 »Ich habe ihn immer für einen großen Mann gehalten«, sagte Gómez. »Für eine der Zierden Frankreichs.«
 »Meinetwegen mag er eine Zierde sein«, sagte der Korporal und legte die Hand auf Andrés' Schulter. »Aber er ist verrückt wie eine Wanze. Er hat die Manie, alles erschießen zu lassen.«
 »Wirklich?«
  »Como lo oyes«, sagte der Korporal. »Dieser alte Knabe bringt mehr Menschen um als die Beulenpest. Mata más que la peste bubónica. Aber nicht etwa Faschisten, wie wir! ¡Qué va! Nicht mal im Scherz. Mata bichos raros. Er killt seltene Vögel. Trotzkisten. Abweichler. Alle möglichen seltenen Tiere.«
 Andrés verstand von all dem kein Wort.
 »Als wir im Escorial waren, haben wir, ich weiß nicht wie viele, für ihn erschossen«, sagte der Korporal. »Wir müssen immer das Exekutionskommando stellen. Die Leute aus den Brigaden sind nicht dazu zu bringen, ihre eigenen Leute zu erschießen. Besonders nicht die Franzosen. Um Schwierigkeiten zu vermeiden, müssen wir das besorgen. Wir haben Franzosen erschossen, wir haben Belgier erschossen, wir haben Menschen verschiedenster Nationalität erschossen. Alle möglichen Typen. Tiene manía de fusilar gente. Immer aus politischen Gründen. Er ist verrückt. Purifica más que el Salvarsan. Er putzt kräftiger aus als das Salvarsan.«
 »Aber du wirst jemanden verständigen?«
 »Ja, Mann. Bestimmt. Ich kenne alle Welt in den beiden Brigaden. Sie kommen alle hier vorbei. Ich kenne sogar die Russen, sämtliche Russen, obwohl die meisten nicht Spanisch verstehen. Ich werde schon verhindern, daß dieser Verrückte uns auch noch Spanier erschießt.«
 »Aber die Depesche!«
 »Auch die Depesche. Keine Angst, Genosse. Wir wissen, wie wir mit diesem Verrückten umzugehen haben. Nur für seine eigenen Leute ist er gefährlich. Wir kennen uns jetzt mit ihm aus.«
 »Führt die zwei Gefangenen herein!« ertönte André Martys Stimme.
  »¿Quereis echar un trago?« fragte der Korporal. »Wollt ihr ein Schlückchen nehmen?«
 »Warum nicht?«
 Der Korporal holte eine Flasche Anis aus dem Schrank, Gómez und Andrés tranken je ein Gläschen. Ebenso der Korporal. Dann wischte er sich mit der Hand den Mund ab.
 » Vámonos!« sagte er.
 Sie verließen das Wachtzimmer, der scharfe Schnaps wärmte ihnen den Mund, den Magen und das Herz; sie gingen durch den Vorraum und betraten das Zimmer, in dem Marty an einem langen Tisch saß, die Karte vor sich ausgebreitet, in der Hand den Rot-und Blaustift, mit dem er den Stabsoffizier zu spielen pflegte. Andrés nahm die Sache weiter nicht tragisch. Es war heute nacht schon so vieles passiert. Immer passieren solche Sachen. Wenn deine Papiere in Ordnung sind und du die Nerven nicht verlierst, hat es keine Gefahr. Nach einer Weile läßt man dich frei, und du marschierst weiter. Aber der Inglés hatte ihn gebeten, sich zu beeilen. Er wußte jetzt, daß er nicht mehr rechtzeitig würde zurück sein können, aber er hatte schließlich eine Depesche abzuliefern, und dieser alte Mann da

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