Wem die Stunde schlaegt
und übermangansaures Kali.‹ Ein Witz!«
»Er ist Kommunist«, sagte Maria. »Das sind sehr ernste gente.«
»Bist du Kommunist?«
»Nein, ich bin Antifaschist.«
»Seit langem?«
»Seit ich weiß, was Faschismus ist.«
»Wie lange ist das her?«
»Fast zehn Jahre.«
»Das ist nicht lang«, sagte die Frau. »Ich bin seit zwanzig Jahren Republikanerin.«
»Mein Vater war sein Leben lang Republikaner«, sagte Maria. »Deshalb haben sie ihn erschossen.«
»Auch mein Vater war sein Leben lang Republikaner und ebenso mein Großvater«, sagte Robert Jordan. »In welchem Land?«
»In den Vereinigten Staaten.«
»Hat man sie erschossen?«
»¡Qué va!« sagte Maria. »Die Vereinigten Staaten sind ein republikanisches Land, dort wird man nicht erschossen, weil man Republikaner ist.«
»Trotzdem ist es gut, einen Großvater zu haben, der Republikaner war«, sagte die Frau. »Das zeugt von gutem Blut.«
»Mein Großvater saß im Nationalausschuß der Republikaner«, sagte Robert Jordan. Das machte sogar auf Maria Eindruck.
»Und ist dein Vater noch immer in der Republik tätig?« fragte Pilar.
»Nein. Er ist tot.«
»Darf man fragen, wie er starb?«
»Er hat sich erschossen.«
»Um der Folter zu entgehen?« fragte die Frau. »Ja«, sagte Robert Jordan. »Um der Folter zu entgehen.« Maria hatte Tränen in den Augen. »Mein Vater«, sagte sie, »konnte keine Waffe finden. Oh, ich bin sehr froh, daß dein Vater das Glück hatte, eine Waffe zu finden.«
»Ja, es war ein ziemliches Glück«, sagte Robert Jordan. »Sollten wir nicht von etwas anderem reden?«
»Dann sind wir beide gleich«, sagte Maria. Sie legte die Hand auf seinen Arm und sah ihm ins Gesicht. Er betrachtete ihr braunes Gesicht und ihre Augen, die, seit er sie gesehen hatte, nie so jung gewesen waren wie das übrige Gesicht und die jetzt plötzlich voller Hunger waren und jung und verlangend.
»Nach dem Aussehen könntet ihr Geschwister sein«, sagte die Frau. »Aber es ist wohl ein Glück, daß ihr es nicht seid.« »Jetzt weiß ich, warum ich so ein Gefühl hatte!« sagte Maria. »Jetzt ist es klar.«
»¡Qué va!« sagte Robert Jordan. Er streckte die Hand aus und strich ihr über den Kopf. Den ganzen Tag hatte er das tun wollen, und nun, da er es tat, fühlte er, wie seine Kehle sich zusammenzog. Sie bewegte den Kopf unter seiner Hand und blickte zu ihm empor, und er fühlte zwischen seinen Fingern das rauhe Gekräusel ihres dichten, aber seidigen Haars. Dann berührte seine Hand ihren Nacken, und dann ließ er die Hand sinken.
»Noch einmal«, sagte sie. »Den ganzen Tag habe ich mir das gewünscht.«
»Später«, sagte Robert Jordan, und seine Stimme war heiser.
»Und ich?« sagte Pablos Frau mit ihrer dröhnenden Stimme. »Ich soll einfach zuschauen? Mich soll das gar nicht rühren? Wie ist das möglich? Daß bloß Pablo zurückkäme – wenn schon nichts Besseres da ist.«
Maria kümmerte sich weder um sie noch um die anderen, die am Tisch saßen und beim Kerzenlicht Karten spielten.
»Willst du noch eine Tasse Wein, Roberto?« fragte sie.
»Ja«, sagte er. »Warum nicht?«
»Du wirst einen Säufer kriegen genauso wie ich«, sagte Pablos Weib zu Maria. »Schon dieses sonderbare Zeug, das er aus der Tasse getrunken hat! Hör mich an, Inglés.«
»Nicht Inglés. Amerikaner.«
»Dann hör zu, Amerikaner! Wo gedenkst du zu schlafen?«
»Draußen. Ich habe einen Schlafsack.«
»Gut«, sagte sie. »Die Nacht ist hell.«
»Und wird kalt werden.«
»Also draußen«, sagte sie. »Schlaf draußen. Deine Sachen können bei mir schlafen.« »Gut«, sagte Robert Jordan.
»Laß uns einen Augenblick allein«, sagte er dann zu dem Mädchen und legte die Hand auf ihre Schulter.
»Warum?«
»Ich möchte mit Pilar sprechen.«
»Muß ich gehen?«
»Ja.«
»Was willst du?« fragte Pablos Weib, nachdem das Mädchen zu dem Eingang der Höhle hinübergegangen war. Dort stand sie nun neben dem großen Weinschlauch und sah den Kartenspielern zu.
»Der Zigeuner meint, ich hätte...«
»Nein«, unterbrach ihn die Frau. »Er irrt sich.«
»Wenn es sein muß, daß ich...« sagte Robert Jordan mit erzwungener Ruhe.
»Ich glaube, du hättest es getan«, sagte die Frau. »Nein, es ist nicht nötig. Ich habe dich beobachtet, aber dein Urteil war richtig.«
»Aber wenn es nötig ist –«
»Nein«, sagte die Frau. »Ich sage dir, es ist nicht nötig. Der Zigeuner hat ein verdorbenes
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