Wem die Stunde schlaegt
ich habe dich vorher nie gesehen, und das erzählte ich Pilar, und sie sagte, wenn ich dir überhaupt etwas erzähle, dann soll ich dir sagen, daß ich nicht krank bin. Das andere hat sie mir schon vor langem gesagt. Gleich nach dem Zug.«
»Was sagte sie?«
»Sie sagte, daß man dir nichts antun kann, wenn du es nicht hinnimmst, und wenn ich jemand lieb hätte, würde alles weggewischt sein. Ich wollte sterben, weißt du.«
»Was sie sagt, ist wahr.«
»Und jetzt bin ich froh, daß ich nicht gestorben bin. Ich bin so froh, daß ich nicht gestorben bin. Und du kannst mich lieben?«
»Ja. Ich liebe dich jetzt.«
»Und ich kann deine Frau sein?«
»Ich kann keine Frau haben bei meiner Arbeit. Aber du bist jetzt meine Frau.«
»Wenn ich es einmal bin, dann werde ich es bleiben. Bin ich jetzt deine Frau?«
»Ja, Maria. Ja, mein kleines Kaninchen.«
Sie drückte sich eng an ihn an, und ihre Lippen suchten die seinen und fanden sie, und sie küßte ihn, und er fühlte ihren Körper, frisch, glatt, jung und reizend in warmer, sengender Kühle, und so unfaßbar, daß sie da neben ihm lag in dem Schlafsack, der ihm so vertraut war wie seine Kleider oder seine Schuhe oder seine Pflichten, und dann sagte sie in erschrecktem Ton: »Und machen wir es jetzt schnell, damit das andere ganz verschwindet.«
»Willst du?«
»Ja«, sagte sie fast ungestüm. »Ja. Ja. Ja.«
VIII
Es war kalt in der Nacht, und Robert Jordan schlief einen schweren Schlaf. Einmal wachte er auf, und als er sich ausstreckte, merkte er, daß das Mädchen neben ihm lag, tief in den Schlafsack verkrochen, leicht und regelmäßig atmend, und in der kalten Finsternis, der Himmel hart und scharf voller Sterne, die Luft kalt in seinen Nasenlöchern, schob er den Kopf in die Wärme des Schlafsacks und küßte des Mädchens glatte Schulter. Sie wachte nicht auf, und er wälzte sich auf seine Seite, weg von ihr, und streckte den Kopf wieder in die Kälte hinaus, lag einen Augenblick wach, fühlte die lang hinsickernde Wollust seiner Mattigkeit und dann die glatte, tastende Seligkeit ihrer Körper, die einander berührten, und dann, als er die Beine so tief wie nur möglich in den Schlafsack streckte, glitt er jählings in den Schlummer zurück.
Er erwachte im Morgengrauen, und das Mädchen war verschwunden. Er merkte es gleich beim Erwachen, und als er den Arm ausstreckte, fühlte er die warme Stelle, wo sie gelegen hatte. Er blickte nach dem Eingang der Höhle, reifbedeckt schimmerte der Vorhang, und er sah aus der Felsenspalte den dünnen grauen Rauch hervorquellen, und der Rauch sagte ihm, daß das Herdfeuer brannte.
Aus dem Wald kam ein Mann, eine Decke wie einen Poncho über den Kopf gebreitet. Er ist unten gewesen und hat die Pferde in den Pferch getrieben, dachte er.
Pablo verschwand in der Höhle, ohne Robert Jordan einen Blick zu gönnen.
Robert Jordan fühlte mit der Hand den leichten Reif, der auf der abgenutzten fleckiggrünen ballonseidenen Außenhülle des fünf Jahre alten, mit Daunen gefütterten Schlafsacks lag, legte sich dann wieder zurecht. Bueno, sagte er zu sich selber. Er fühlte die vertraute Liebkosung des Flanellfutters, er breitete die Beine aus, zog sie wieder zusammen und drehte sich dann auf die Seite, weg von der Richtung, in der, wie er wußte, die Sonne aufgehen würde. Qué más da, warum soll ich nicht noch ein bißchen schlafen? Er schlief, bis ein Motorgeräusch ihn weckte.
Auf dem Rücken liegend sah er die Flugzeuge, eine Faschistenpatrouille, drei Fiats, hell und winzig, schnell über den Berghimmel huschen und in die Richtung fliegen, aus der er und Anselmo gestern gekommen waren. Die drei verschwanden, und dann kamen weitere neun, in noch größerer Höhe, in Dreierformation, drei winzige Keile.
Pablo und der Zigeuner standen im Schatten neben der Höhle und beobachteten den Himmel. Robert Jordan lag ganz still. Und nun, da das hämmernde Geräusch der Motoren den Himmel erfüllte, hörte er plötzlich ein neues Geräusch, ein dumpfes Dröhnen, und drei weitere Flugzeuge kamen in kaum dreihundert Meter Höhe über die Lichtung geflogen. Diese drei waren Heinkel 111, zweimotorige Bomber.
Robert Jordan, den Kopf im Schatten der Felsen, wußte, daß sie ihn nicht sehen konnten und daß es einerlei war, wenn sie ihn sahen. Wenn sie überhaupt etwas in den Bergen suchten, würden sie vielleicht die Pferde im Pferch erblicken können. Wenn sie nichts weiter suchten, würden sie sie
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