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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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nebeneinander lagen, war alle Schutzwehr durchbrochen. Wo rauher Stoff gewesen war, da war alles nun glatt, mit einer Glätte und einem festen, runden Druck und einer langen warmen Kühle, äußerlich kühl und innerlich warm, lang und leicht und fest umfassend, fest umfaßt, einsam, festgesogen mit allen Konturen, beglückend, jung und liebevoll und nun ganz warm und glatt in aushöhlender, brustbeklemmender, fest umfaßter Einsamkeit, die so groß war, daß Robert Jordan das Gefühl hatte, er könne sie nicht länger ertragen, und er sagte: »Hast du schon andere geliebt?«
 »Nie.«
 Dann wurde sie plötzlich schlaff in seinen Armen. »Aber man hat mir was getan.«
 »Wer?«
 »Mehrere.«
 Nun lag sie völlig still, als ob sie tot wäre, den Kopf von ihm abgewandt. »Jetzt wirst du mich nicht mehr lieben.«
 »Ich liebe dich«, sagte er.
 Aber es war mit ihm etwas geschehen, und sie wußte es.
 »Nein«, sagte sie, und ihre Stimme war matt und tonlos geworden. »Du wirst mich nicht lieben. Aber vielleicht wirst du mich in das Heim bringen. Und ich werde in das Heim gehen, und ich werde nie deine Frau sein und nichts.«
 »Ich liebe dich, Maria.«
 »Nein. Das ist nicht wahr«, sagte sie. Dann, zuletzt noch, kläglich und hoffend: »Aber ich habe nie einen Mann geküßt.«
 »Dann küsse mich jetzt.«
 »Und das wollte ich«, sagte sie. »Aber ich weiß nicht, wie. Als sie mir was antaten, da wehrte ich mich, bis ich nichts mehr sah. Ich wehrte mich, bis – bis – bis sich einer auf meinen Kopf setzte – und ich habe ihn gebissen – und dann haben sie mir den Mund verbunden und mir die Arme unter dem Kopf festgehalten – und andere haben mir was getan.«
 »Ich liebe dich, Maria«, sagte er. »Und niemand hat dir was angetan. Dich können sie nicht anrühren. Niemand hat dich angerührt, mein Häschen.«
 »Glaubst du das wirklich?«
 »Ich weiß es.«
 »Du kannst mich lieben?« Nun wieder warm an ihn angeschmiegt.
 »Ich kann dich noch mehr lieben.«
 »Ich will versuchen, dich sehr gut zu küssen.«
 »Küß mich ein wenig.«
 »Ich weiß nicht, wie.«
 »Küß mich einfach.«
 Sie küßte ihn auf die Wange.
 »Nein.« »Wo kommen die Nasen hin? Ich habe mich immer gewundert, wo die Nasen hinkommen.«
 »Schau, dreh den Kopf zu mir.« Und dann preßten seine Lippen, sich auf ihren Mund, und sie drückte sich dicht an ihn an, und ihr Mund öffnete sich allmählich ein wenig, und dann, ganz plötzlich, sie fest umarmend, war er glücklicher denn je in seinem Leben, heiter, zärtlich, jubelnd, zuinnerst glücklich, ohne nachzudenken, ohne Müdigkeit zu fühlen, ohne sich Sorgen zu machen, nichts anderes empfindend als ein tiefes Entzücken, und er sagte: »Mein kleines Kaninchen. Mein Schatz. Mein Süßes. Mein langes Liebliches.«
 »Was sagst du?« Ihre Stimme kam wie aus weiter Ferne.
 »Mein Reizendes«, sagte er.
 So lagen sie da, und er fühlte ihren Herzschlag an seiner Brust, und er streichelte mit der Seite seines Fußes ganz sanft die Seite ihres Fußes.
 »Du bist barfuß gekommen«, sagte er.
 »Ja.«
 »Dann hast du gewußt, daß du zu mir ins Bett kommst.«
 »Ja.«
 »Und du hast dich nicht gefürchtet?«
 »Ja. Sehr. Aber noch mehr habe ich mich davor gefürchtet, wie es sein würde, wenn ich mir die Schuhe ausziehen müßte.«
 »Und wie spät ist es jetzt? Lo sabes?«
 »Nein. Du hast keine Uhr?«
 »Ja. Aber sie liegt hinter deinem Rücken.«
 »Hol sie.«
 »Nein.«
 »Dann schau über meine Schulter.«
 Es war ein Uhr. Das Zifferblatt schimmerte hell in der Finsternis unter der Hülle des Schlafsacks. »Dein Kinn kratzt mich an der Schulter.«
 »Verzeih ihm. Ich habe kein Rasierzeug.«
 »Ich habe das gern. Ist dein Bart blond?«
 »Ja.«
 »Und wird er lang?«
 »Nicht ehe die Brücke geschafft ist. Maria, hör zu.«
 »Ja.«
 »Willst du –?«
 »Ja. Alles. Bitte. Und wenn wir alles zusammen machen, wird das andere vielleicht nie gewesen sein.«
 »Hast du dir das gedacht?«
 »Nein. Ich denke es im geheimen, aber Pilar hat es mir gesagt.«
 »Sie ist sehr klug.«
 »Und noch etwas«, sagte Maria leise. »Sie sagte, ich soll dir sagen, daß ich nicht krank bin. Sie versteht sich auf solche Dinge, und sie sagte, ich soll dir das sagen! «
 »Sie sagte, du sollst es mir sagen?«
 »Ja. Ich habe mit ihr gesprochen und ihr gesagt, daß ich dich liebe. Ich habe dich geliebt, als ich dich heute sah, und ich habe dich immer geliebt, aber

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