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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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bringt große Kälte mit. Dafür ist es jetzt schon zu spät.«
 »Gut«, sagte Robert Jordan. »Immerhin etwas.«
 »Dieser Wind kommt aus dem Cantábrico«, sagte Pablo. »Er kommt vom Meer her. Wenn der Wind aus dieser Richtung weht, wird es stürmisch, und es fällt viel Schnee.«
 »Wo hast du das alles gelernt, alter Knabe?« fragte Robert Jordan.
 Jetzt, da seine Wut sich gelegt hatte, erfüllte dieser Schneesturm ihn mit einer seltsamen Erregung, wie jeder Sturm. Ob es ein Blizzard war, ein Orkan, eine jähe Brise, ein Tropensturm oder ein sommerliches Gewitter in den Bergen, stets erfüllte es ihn mit einer seltsamen Erregung, die er bei keiner anderen Gelegenheit empfand. Am ehesten ließe sie sich mit der Erregung vergleichen, die einen in der Schlacht packt, aber es war gleichsam eine reinliche Erregung. Es weht ein Wind in den Schlachten, aber das ist ein heißer Wind, heiß und trocken wie dein Gaumen, finster, heiß und schmutzig, und er schwillt an und verebbt, wie das Kampfglück sich wendet. Diesen Wind kannte er sehr gut.
 Aber ein Schneesturm ist das genaue Gegenteil. Im Schneesturm kommst du ganz dicht an die wilden Tiere heran, und sie fürchten sich nicht vor dir. Sie trotten über Land und wissen nicht, wo sie sind, und manchmal steht ein Reh an der windgeschützten Wand deiner Hütte. Im Schneesturm reitest du dicht an einen Elch heran, und er hält dein Pferd für einen Elch und trottet dir entgegen. Im Schneesturm hast du immer eine Zeitlang das Gefühl, als ob es keine Feinde gäbe. Im Schneesturm kann der Wind zum Orkan werden, aber er ist weiß und sauber, und ein weißes Jagen erfüllt die Luft, und alles ist verändert, und wenn der Wind aufhört, wird eine tiefe Stille sein. Das war nun ein mächtiger Sturm, da draußen vor der Höhle, und warum sollte er sich nicht über ihn freuen. Er richtet alles zugrunde, aber warum soll man sich nicht über ihn freuen? »Ich bin viele Jahre arroyero gewesen«, sagte Pablo. »Wir fuhren Fracht über die Berge, mit den großen Karren, bevor die Lastautos in Gebrauch kamen. Und seither verstehe ich was vom Wetter.«
 »Und wie bist du zur Bewegung gekommen?«
 »Ich war immer links«, sagte Pablo. »Wir hatten viel Berührung mit den Leuten von Asturien, die politisch sehr weit sind. Ich war immer für die Republik.«
 »Aber was hast du vor der Bewegung gemacht?«
 »Ich war bei einem Pferdehändler in Zaragoza. Er lieferte Pferde für die Arena und für die Armee. Damals lernte ich Pilar kennen, sie lebte, wie sie dir erzählt hat, mit dem Matador Finito de Palencia.«
 Er sagte das mit beträchtlichem Stolz.
 »Er war gerade kein besonderer Matador«, sagte einer der Brüder am Tisch und blickte auf den Rücken Pilars, die vor dem Herd stand.
 »Nein?« sagte Pilar, drehte sich um und sah den Mann an. »Er war kein besonderer Matador?«
 Wie sie nun dastand in der Höhle neben dem Herdfeuer, sah sie ihn vor sich, klein und braun und mit ernstem Gesicht, die traurigen Augen, die eingefallenen Wangen und das schwarze Haar in feuchten Locken auf der Stirn, wo der engsitzende Matadorhut einen roten Strich hinterlassen hatte, den niemand sonst bemerkte. Sie sah ihn nun dastehen vor dem fünfjährigen Stier, vor den Hörnern, die die Pferde in die Luft geschleudert hatten, dem dicken Nacken, der das Pferd emporhebt, während der Reiter die spitze Lanze in diesen Nacken stößt – also den Gaul emporhebt, bis er krachend umfällt, und der Reiter fällt gegen die hölzerne Planke, und während die Beine des Stiers ihn vor sich her schieben, schwingt der dicke Nacken die Hörner, die wühlend im Bauch des Pferdes nach dem Sitz des Lebens suchen. Sie sieht ihn, Finito, den gar nicht so besonderen Matador, vor dem Stier stehen und sich seitlings zu ihm hinwenden. Sie sieht ihn deutlich vor sich, wie er das schwere Flanelltuch auf den Stab aufrollt, das Tuch, das blutschwer dahängt, blutig von dem raschen, schleifenden Hinwischen über des Bullen Kopf und Schultern und den feuchten, strömenden Glanz seines Widerrists und hin und her über den Rücken, während der Stier sich emporbäumt und die Banderillas klappern. Sie sieht Finito fünf Schritt entfernt vor dem Kopf des Stieres stehen, im Profil, und der Stier steht regungslos da und schwer, und Finito hebt langsam den Degen bis in die Schulterhöhe und visiert an der langsam sich senkenden Klinge entlang nach einem Punkt, den er noch nicht sehen kann, weil der Kopf des Stiers höher ist

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