Wen das Grab ruft
noch ihm konnte Ellen eine Antwort geben, weil sie einfach zu schwach war, die Lippen zu bewegen.
Jemand fasste sie unter und stemmte sie auf die Beine. Ellens Füße schleiften durch den Staub der Straße, die nur noch an wenigen Stellen asphaltiert war, da ein großer Teil des alten Belags im Laufe der Zeit zerstört und auch nicht erneuert worden war.
Sie merkte kaum, dass sie immer wieder das Wort Polizei stammelte und bekam auch nicht mit, dass man sie in das Haus der Olsons schaffte und dort auf eine Couch legte.
Jemand wollte Wasser holen und Pete Olson lief zum Telefon. Er und seine Frau hatten schon geschlafen, die Kinder lebten nicht mehr im Haus, und die Olsons gehörten zu den Leuten, die mit den Hühnern ins Bett gingen. Was sie jetzt getroffen hatte, war für sie ein Schock gewesen, den sie erst noch verdauen mussten.
Pete telefonierte mit der Polizei. Er sprach die Worte in den Hörer, ohne sie eigentlich recht zu verstehen. Nur mühsam konnte er die Adresse durchgeben und redete schließlich von einem Anschlag. Dann lehnte er sich bleich zurück und sah seine Frau in der offenen Tür stehen. Sie hatte einen alten Morgenmantel über das Nachthemd geworfen. Ihr Gesicht war ein einziges Fragezeichen. »Was ist da geschehen, Pete?«
»Verdammt, Wilma, ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.« Er schüttelte den Kopf und hörte kaum, dass seine Frau von einer Strafe Gottes sprach…
***
Ich bin lange genug Polizist, und es ist mir praktisch in Fleisch und Blut übergegangen, immer dann aufmerksam und auch misstrauisch zu werden, wenn ich das Heulen von Polizeisirenen höre. So war es auch in diesem Fall.
Meine Freunde sprach ich darauf nicht an. Vielleicht hatten sie auch nicht darauf geachtet, denn sie redeten nicht davon. Suko, der neben mir saß, wurde erst aufmerksam, als ich den Polizeifunk einschaltete.
»He, was bedeutet das?«
Ich ging mit der Geschwindigkeit herunter, weil ich eine Kreuzung erreicht hatte. Links ging es nach London. Es waren noch acht Meilen, bevor wir die ersten Vororte erreichten. Zur rechten Seite führte der Weg in das flache Land hinein.
Ich hielt an. Nach vorn schaute ich. Dunkel lag der Himmel über uns, und ebenso dunkel war das Land darunter, über dessen Weite mein Blick glitt und sich dort verlor, wo in der Ferne winzige Lichtpunkte aufstrahlten. Dort lag eine Ortschaft, deren Namen ich nicht kannte.
»Sag schon.«
»Ich habe Polizeisirenen gehört.«
»Das meinst du«, meldete sich Bill vom Rücksitz her. »Die habe ich auch gehört.«
»Deshalb will ich rausbekommen, ob etwas passiert ist.«
»Das mit unserem Fall zusammenhängt?« fragte der Reporter skeptisch.
»Nein, aber du kennst doch die Neugier der Polizisten.«
Bill lachte. Ich schwieg, weil ich mich auf die Durchsagen konzentrieren wollte. Die Stimme war nur schwach zu vernehmen, ich stellte den Apparat lauter und hörte sie nun deutlicher.
»L4 befindet sich ebenfalls auf dem Weg zum Zielort.«
»Roger. Was ist denn passiert, L4?« fragte die Stimme aus der Zentrale.
»Wir wissen hier nur von einem Notruf.«
»Wohl ein Anschlag.«
»Hat es Tote gegeben?«
»Nein, aber man spricht von Waffen.«
»Roger, L4. Fahren Sie so schnell wie möglich hin. Ich schicke Verstärkung. L3 wird sich noch auf den Weg machen.«
»Danke und Ende.«
Ich ließ den Apparat eingeschaltet, wobei ich mich gleichzeitig zu meinen Freunden hindrehte. »Na?« fragte ich. »Was sagt ihr dazu?«
»Scheint eine Schießerei gewesen zu sein«, bemerkte Bill. »Willst du hinfahren?«
Sukos Frage war gut. »Das wäre nicht schlecht. Nur weiß ich nicht, wo das Ziel liegt.«
»Das lässt sich leicht herausfinden.« Suko griff zum Hörer und tippte eine Programmtaste, die uns mit der nächstliegenden Notrufzentrale verband. Ich war froh, diese Automatik in meinem Wagen zu besitzen. Suko bekam schnell Verbindung, stellte sich namentlich vor und gab auch zur Kontrolle seine Dienstnummer durch. Die wurde bestätigt, dann erfuhren wir, dass es einen Anschlag gegeben hatte.
»Welcher Art?« fragte der Inspektor. Niemand wusste etwas Genaueres. Suko erklärte dem Kollegen in der Zentrale, dass wir uns ebenfalls auf den Weg machen wollten, und wir erfuhren auch endlich den genauen Tatort. Er lag gewissermaßen zwischen den Dörfern, an einer Nebenstraße, in der nur drei Häuser standen. Auch gab Suko unseren Standort durch und bekam von dem Kollegen die Wegbeschreibung. Ungefähr drei Meilen von der Kreuzung, an
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