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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Vision zwischen den beiden vorgefallen sein mochte, es nagte noch immer an ihm.
    »Komm schon, Noah. Wir brauchen einen Namen.« Das war Ronan, den Kopf abwartend schräg gelegt wie sein Rabe. »Wer hat dich umgebracht?«
    Noah hob den Kopf und öffnete die Augen. Er zog seine Hand aus Blues und legte sie auf seinen Oberschenkel. Die Luft, die sie alle einhüllte, war frostig. Der Rabe hatte sich tief in Ronans Schoß gekauert und er hielt schützend seine Hand darüber.
    Noah sagte: »Das wisst ihr doch längst.«

33
    A ls Gansey schließlich nach draußen trat, war es schon dunkel. Wieder erfüllte ihn diese rastlose, unzufriedene Energie, die sich in letzter Zeit immer in sein Herz zu schleichen schien, wenn er sein Elternhaus besuchte. Zum einen lag das an der Erkenntnis, dass er hier nicht mehr wirklich zu Hause war – wenn er es denn jemals gewesen war –, und zum anderen war ihm mittlerweile klar geworden, dass nicht seine Eltern sich verändert hatten, sondern er.
    Gansey kurbelte die Scheibe herunter und ließ beim Fahren die Hand aus dem Fenster hängen. Das Radio funktionierte mal wieder nicht, und so lieferte der Motor die einzige musikalische Untermalung; nach Einbruch der Dunkelheit schien der Camaro immer noch lauter.
    Das Gespräch mit Pinter ließ Gansey nicht los. Bestechung. So weit war es also schon mit ihm gekommen. Er glaubte, dieses Gefühl tief in sich als Scham identifizieren zu können. Egal, wie sehr er sich auch dagegen wehrte, er wurde immer mehr zu einem Gansey.
    Aber wie sonst sollte er dafür sorgen, dass Ronan an der Aglionby Academy und damit auch im Monmouth bleiben konnte? Im Geiste ging er die Argumente für sein zukünftiges Gespräch mit Ronan durch und nichts davon klang, als würde es Ronan überzeugen. Fiel es ihm denn wirklich so schwer, einigermaßen regelmäßig zum Unterricht zu gehen? Wie hart konnte es denn sein, ein weiteres Jahr Schule hinter sich zu bringen?
    Noch eine halbe Stunde, dann würde er Henrietta erreichen. In einer winzigen Stadt, die eigentlich nur aus einer unnatürlich grell erleuchteten Tankstelle zu bestehen schien, musste Gansey an einer Kreuzung mit einer roten Ampel halten, um unsichtbaren Querverkehr vorbeizulassen.
    Alles, was Ronan tun musste, war, zum Unterricht zu gehen, seine Hausaufgaben zu machen und eine akzeptable Note zu bekommen. Und dann wäre er frei. Declan würde ihm endlich sein Erbe auszahlen und dann konnte er verdammt noch mal tun und lassen, was er wollte.
    Gansey warf einen Blick auf sein Handy. Kein Empfang. Er wollte mit Adam reden.
    Die Brise, die durch das offene Fenster hereinwehte, erfüllte das Wageninnere mit dem Geruch von Laub und Wasser, von Dingen, die wuchsen, und Dingen, die im Verborgenen lagen. Mehr als alles andere wünschte Gansey sich, mehr Zeit in Cabeswater verbringen zu können. Die nächste Woche aber war zum Großteil für die Schule reserviert – nach der Unterhaltung mit Pinter konnte es sich keiner von ihnen mehr leisten zu schwänzen – und danach würde er sich jeden Tag mit Ronan durch dessen Hausaufgaben quälen müssen. Soeben tat sich die Welt vor Ganseys Nase auf, Noah brauchte ihn und Glendower schien nicht mehr ganz so unerreichbar, doch statt rauszugehen und seine Chance zu ergreifen, tat Gansey was? Babysitten. Verdammt, Ronan.
    Die Ampel wurde grün. Gansey trat so fest aufs Gas, dass die Reifen quietschten und zu qualmen anfingen. Pig machte einen Satz und raste die Straße entlang. Verdammt, Ronan. Gansey schaltete sich durch die Gänge, schneller, schneller, schneller. Das Heulen des Motors übertönte sein pochendes Herz. Verdammt, Ronan. Die Tachonadel schlug immer weiter aus und erreichte langsam den roten Bereich.
    Gansey überschritt die Geschwindigkeitsbeschränkung, doch der Wagen hatte noch jede Menge Reserven. Dem Motor war die kühle Luft nur recht, die Fahrt verlief schnell und unkompliziert und er war gespannt darauf, was bei einem noch höheren Tempo passieren würde.
    Doch er zügelte sich und stieß einen rauen Seufzer aus.
    Wäre er Ronan, würde er weitermachen. Aber das war eben genau das, was Ronan ausmachte: Er kannte keine Grenzen, keine Angst, kein Ende. Wäre Gansey Ronan, würde er jetzt das Gaspedal bis zum Anschlag durchtreten, bis die Straße oder ein Polizist oder ein Baum seiner Fahrt ein Ende bereitete. Er würde morgen die Schule schwänzen und in den Wald gehen. Er würde Ronan sagen, es sei sein Problem, wenn er rausflog, wenn dieser ihm dafür

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