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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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am Abendessenstisch benutzt hatten. Er hasste Adams grauenhaften Vater und Adams apathische Mutter und vor allem, vor allem anderen, hasste er den Klang von Adams letzten Worten, die sich wieder und wieder in seinem Kopf abspielten.
    Er ertrug nicht, was das alles in ihm auslöste.
    Wie es schien, war er Adam gleichgültig, war er Ronan gleichgültig. Adam schlug ihm seine eigenen Worte um die Ohren und Ronan vertat jede letzte Chance, die er ihm noch gab. Gansey war für sie einfach nur ein Typ mit einer Menge Geld und einer Leere in sich, die sich Jahr für Jahr tiefer in sein Innerstes fraß.
    Immer wieder kehrten die beiden ihm den Rücken. Und doch schien er nie in der Lage, ihnen den Rücken zu kehren.
    Gansey öffnete die Augen. Der Rettungswagen war noch da, aber Adam war fort.
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis er ihn wieder erspähte. Er war bereits mehrere Hundert Meter entfernt und marschierte über den Parkplatz auf die Straße zu, sein Schatten ein kleines blaues Etwas neben ihm.
    Gansey beugte sich über den Beifahrersitz, kurbelte das Fenster herunter und startete Pig. Als er einen Bogen um den Ladebezirk fuhr, um auf den Parkplatz zu gelangen, hatte Adam bereits die makellos gepflegte, vierspurige Straße erreicht, die am Krankenhaus vorbeiführte. Trotz des regen Verkehrs bremste Gansey neben Adam, sodass die Autos hinter ihm hupend die Spur wechselten.
    »Wo gehst du hin?«, rief er. »Wo kannst du denn überhaupt hin?«
    Natürlich wusste Adam, dass er da war – der Camaro übertönte alles andere –, doch er lief einfach weiter.
    »Adam«, bat Gansey. »Sag mir nur, dass du nicht zurückgehst.«
    Nichts.
    »Es muss ja auch nicht das Monmouth sein«, versuchte es Gansey ein drittes Mal. »Egal, wo du hinwillst, aber lass mich dich wenigstens fahren.«
    Bitte steig einfach ins Auto.
    Adam blieb stehen. Mit ungelenken Bewegungen stieg er ein und zog die Tür hinter sich zu. Nicht fest genug, sodass er zwei weitere Versuche brauchte. Sie schwiegen, während Gansey sich wieder in den Verkehr einfädelte. Worte drängten sich gegen seine Lippen, flehten ihn an, sie auszusprechen, doch er hielt den Mund.
    Adam sah ihn nicht an, als er schließlich sagte: »Es ist egal, wie du es ausdrückst. Letztendlich ist das hier genau, was du wolltest. Alle deine Sachen an einem Ort, alles unter deinem Dach. Alles, was du besitzt, direkt im Blick …«
    Doch dann hielt er inne und ließ den Kopf in die Hände sinken. Er fuhr sich mit den Händen durch das Haar über seinen Ohren. Seine Fingerknöchel waren weiß. Als er einatmete, klang es zittrig, wie bei jemandem, der sich nach Kräften bemühte, nicht zu weinen.
    Gansey fielen hundert Dinge ein, die er zu Adam sagen konnte: dass alles wieder in Ordnung kommen würde, dass es am besten so war, dass Adam Parrish, schon lange bevor er Gansey kannte, auf eigenen Beinen gestanden hatte und dass sich daran nichts ändern würde, nur weil er fortan woanders wohnte, dass Gansey sich manchmal wünschte, mehr wie Adam zu sein, weil Adam so echt und wahrhaftig war, wie Gansey es nie sein würde. Aber Ganseys Worte hatten sich schon einmal unbemerkt in Waffen verwandelt und er fürchtete, sie versehentlich wieder abzufeuern.
    Also fuhren sie schweigend zu Adam, um seine Sachen zu holen. Als sie die Wohnwagensiedlung zum letzten Mal hinter sich ließen und seine Mutter ihnen aus dem Küchenfenster nachsah, drehte Adam sich nicht um.

39
    A ls Blue an diesem Nachmittag zum Monmouth Manufacturing kam, dachte sie zuerst, das Haus wäre leer. Ohne eins der beiden Autos auf dem Parkplatz wirkte der ganze Block trostlos und verlassen. Sie versuchte, sich in Gansey hineinzuversetzen, sich vorzustellen, wie er das Fabrikgebäude zum ersten Mal gesehen und beschlossen hatte, dass dies genau das richtige Zuhause für ihn wäre, aber es gelang ihr einfach nicht. Genauso wenig, wie sie sich vorstellen konnte, Pig zu sehen und zu beschließen, dass es genau das richtige Auto wäre, oder Ronan zu sehen und zu beschließen, dass er genau der richtige Freund wäre. Und doch hatte es irgendwie funktioniert, denn sie liebte das Loft und selbst Ronan wuchs ihr langsam ans Herz und das Auto …
    Na ja, auf das Auto konnte sie immer noch verzichten.
    Blue klopfte an die Tür zum Treppenhaus. »Noah! Bist du da?«
    »Ich bin hier.«
    Es überraschte sie nicht, dass seine Stimme hinter ihr ertönte statt auf der anderen Seite der Tür. Als sie sich zu ihm umdrehte, schienen zuerst seine Beine

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