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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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teilhaben ließ.
    Aber Gansey und Adam suchten auch aus ganz unterschiedlichen Gründen nach Glendower. Gansey war von einem Verlangen erfüllt, wie Artus es für den Heiligen Gral empfunden haben musste und das mit dem verzweifelten, wenn auch unbestimmbaren Drang einherging, der Welt von Nutzen zu sein, seinem Leben noch einen anderen Sinn zu verleihen als Champagnerempfänge und blütenweiße Krägen – eine tief gehende Sehnsucht danach, einen Streit zu schlichten, der in seinem Inneren tobte.
    Adam hingegen brauchte dringend diese königliche Gunst.
    Darum mussten sie diejenigen sein, die Glendower erweckten. Sie mussten ihn vor allen anderen finden.
    »Parrish«, wiederholte Gansey. »Komm.«
    Adam zog eine Grimasse. Um Ronans Charakter zu verbessern, war mehr als Pizza nötig.
    Gansey aber schnappte sich bereits die Schlüssel für Pig und lief einen Bogen um sein Miniatur-Henrietta. Ronan knurrte, Noah seufzte und Adam zögerte, doch Gansey drehte sich kein einziges Mal um, um sich zu vergewissern, ob sie mitkamen. Er wusste, das würden sie. Auf drei verschiedene Arten hatte er sich vor Tagen oder Wochen oder Monaten ihr Zutrauen gesichert, und wenn es nötig war, würden sie ihm bis ans Ende der Welt folgen.
    »Excelsior«, sagte Gansey und schloss die Tür hinter sich.

5
    B arrington Whelk fühlte sich alles andere als munter, als er den Flur von Whitman House, dem Verwaltungsgebäude der Aglionby Academy, hinunterschlich. Es war siebzehn Uhr, der Schultag lange vorbei, und er hatte sein Reihenhaus nur verlassen, um die Hausaufgaben zu holen, die er bis zum nächsten Tag benoten musste. Die Nachmittagssonne schien durch die hohen Sprossenfenster links von ihm, von rechts drang unverständliches Gemurmel aus den Lehrerzimmern. Zu dieser Tageszeit wirkten die alten Gemäuer wie ein Museum.
    »Barrington, ich dachte, du wärst heute gar nicht da. Du siehst ja furchtbar aus, bist du krank?«
    Whelk brachte nicht gleich eine Antwort zustande. Im Grunde war er ja auch gar nicht da. Die Frage kam von Jonah Milo, dem stets wie frisch poliert wirkenden Englischlehrer der elften und zwölften Klassen. Trotz seiner Vorliebe für Karomuster und enge Cordhosen war Milo ein recht erträglicher Zeitgenosse, dennoch stand Whelk nicht der Sinn danach, ihm seine morgendliche Abwesenheit zu erklären. Es schien immer mehr zur Tradition für ihn zu werden, sich jedes Jahr am Abend vor dem Markustag volllaufen zu lassen, bis er schließlich kurz vor Sonnenaufgang auf dem Boden seiner Küchennische einschlief. Diesmal hatte er zumindest die Voraussicht besessen, sich den Markustag freizunehmen. Den Aglionby-Jungs Latein beibringen zu müssen, war an sich schon Strafe genug. Mit einem Kater aber war es die reinste Folter.
    Anstelle einer Antwort hielt Whelk den unordentlichen Stapel handbeschriebener Hausaufgabenblätter hoch. Milos Augen weiteten sich, als er den Namen auf dem obersten Blatt erblickte.
    »Ronan Lynch! Ist das etwa eine Hausaufgabe von ihm?«
    Whelk drehte den Stapel herum, sodass er den Namen lesen konnte, und bejahte. In dem Moment drängten sich ein paar Jungen auf dem Weg zum Rudertraining an ihnen vorbei und schubsten ihn gegen Milo. Den Schülern war wahrscheinlich nicht einmal klar, wie respektlos ihr Verhalten war; Whelk war kaum älter als sie und seine dramatisch überdimensionierten Gesichtszüge ließen ihn noch jünger aussehen. Es kam immer noch vor, dass er für einen Schüler gehalten wurde.
    Milo löste sich von Whelk. »Wie kriegst du den denn dazu, in den Unterricht zu kommen?«
    Allein die Erwähnung von Ronan Lynchs Namen scheuerte in Whelk etwas wund. Denn Ronan sah man niemals allein, sondern stets in der unzertrennlichen Dreiergruppe: Ronan Lynch, Richard Gansey und Adam Parrish. Alle Jungen in seiner Klasse waren wohlhabend, selbstbewusst und arrogant, diese drei aber riefen ihm mehr als alle anderen vor Augen, was er verloren hatte.
    Whelk überlegte angestrengt, ob Ronan jemals eine Stunde bei ihm verpasst hatte. Das Schuljahr verschwamm in seinem Kopf zu einem einzigen langen, endlosen Tag, der damit begann, dass Whelk seine Schrottmühle neben den schicken Autos auf dem Aglionby-Parkplatz abstellte, bevor er sich zwischen lachenden, unbekümmert rücksichtslosen Jungen hindurchschob und sich schließlich vor einer Klasse voller Schüler wiederfand, die ihm im besten Fall mit glasigem Blick, im schlimmsten Fall voller Hohn entgegenstarrten. Und am Ende dieses Tages ging Whelk nach

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