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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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schüchterner Kumpel Adam findet dich süß, aber er weigert sich, dich selbst anzusprechen. Da drüben sitzt er. Nicht der schmuddelige Typ. Und auch nicht der mürrische.«
    Obwohl alles in ihr sich dagegen sträubte, warf Blue einen Blick zu dem Tisch hinüber, auf den er deutete. Dort saßen drei Jungen: Der eine wirkte schmuddelig, ganz wie er gesagt hatte, und hatte etwas Zerknittertes, Verblasstes an sich, so als wäre sein ganzer Körper ein paarmal zu oft in die Waschmaschine gesteckt worden. Derjenige, der sich vorher den Kopf an der Lampe gestoßen hatte, sah gut aus und hatte ganz kurz rasierte Haare; ein Soldat in einem Krieg gegen den Rest der Welt. Und der dritte war – elegant. Es war nicht ganz das richtige Wort für ihn, kam der Wahrheit aber ziemlich nahe. Er wirkte beinahe zerbrechlich, mit einem zarten Körperbau und blauen Augen, die hübsch genug für ein Mädchen gewesen wären.
    Gegen ihren Willen flackerte etwas wie Interesse in Blue auf.
    »Und?«, fragte sie.
    »Und wärst du wohl so nett, mal zu uns rüberzukommen und mit ihm zu reden?«
    Eine Millisekunde lang dachte Blue darüber nach, wie es wohl wäre, sich einem Tisch voller Raven Boys und einer gezwungenen, unterschwellig sexistischen Unterhaltung auszuliefern. Obwohl der Junge wirklich nett aussah, war diese Millisekunde alles andere als angenehm.
    »Und worüber genau soll ich mit ihm reden?«
    Präsident Multiktasking wirkte ganz unbesorgt. »Da fällt uns schon was ein. Wir sind interessante Menschen.«
    Das bezweifelte Blue. Aber der elegante Junge war wirklich ziemlich elegant. Und er wirkte ernsthaft entsetzt darüber, dass sein Freund sie angesprochen hatte, was schon wieder einigermaßen liebenswert war. Einen kurzen, ganz kurzen Moment lang, für den sie sich später schämte und der sie sehr verwirrte, erwog Blue, Präsident Multitasking zu verraten, wann ihre Schicht endete. Dann aber rief Donny aus der Küche nach ihr und sofort fielen ihr Regeln Nummer eins und zwei wieder ein.
    Sie sagte: »Siehst du die Schürze, die ich anhabe? Die bedeutet, dass ich arbeiten muss. Für meinen Lebensunterhalt.«
    Sein unbesorgter Gesichtsausdruck änderte sich nicht im Geringsten. Er sagte: »Keine Sorge, das übernehme ich.«
    Verständnislos hakte sie nach: »Das übernimmst du?«
    »Klar. Wie viel bekommst du pro Stunde? Das übernehme ich. Ich kann auch mit deinem Chef reden.«
    Einen Augenblick lang fehlten Blue tatsächlich die Worte. Sie hatte es nie glauben wollen, wenn Leute behaupteten, es habe ihnen in irgendeiner Situation die Sprache verschlagen, aber genau das widerfuhr ihr nun. Sie öffnete den Mund und zuerst kam nur Luft heraus. Dann etwas wie der Anfang eines Lachens. Und schließlich gelang ihr ein stotterndes »Ich bin doch keine Prostituierte«.
    Der Aglionby-Junge wirkte kurz verwirrt, dann schien er zu begreifen. »Oh nein, so habe ich das nicht gemeint. Das habe ich doch auch gar nicht gesagt.«
    »Natürlich hast du das! Meinst du, du kannst mich dafür bezahlen, dass ich mit deinem Freund rede? Wahrscheinlich machst du das mit allen deinen weiblichen Bekanntschaften so, du buchst sie immer schön stundenweise, was? Du hast doch keine Ahnung, wie es in der echten Welt läuft, und … und … und …« Blue hatte auf irgendeinen ganz wesentlichen Punkt hingearbeitet, nur leider wusste sie plötzlich nicht mehr, auf welchen. Ihre Empörung hatte alle übergeordneten Empfindungen lahmgelegt und alles, was übrig blieb, war der Drang, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Der Junge öffnete den Mund, um zu protestieren, und mit einem Mal fiel ihr wieder ein, was sie hatte sagen wollen. »Weißt du, die meisten Mädchen setzen sich, wenn sie Interesse an einem Typen haben, nämlich umsonst zu ihm.«
    Man musste dem Aglionby-Jungen zugutehalten, dass er nicht sofort antwortete. Stattdessen dachte er einen Moment nach und sagte dann sachlich: »Du hast gesagt, du musst für deinen Lebensunterhalt arbeiten. Ich dachte, es wäre unhöflich, das einfach zu übergehen. Tut mir leid, wenn ich dich damit beleidigt habe. Ich verstehe, warum du jetzt sauer bist, aber ich finde es ein bisschen unfair, dass du dir nicht die Mühe machst, mich auch zu verstehen.«
    »Tja, ich finde dich dafür ganz schön herablassend«, entgegnete Blue.
    Ihr Blick fiel auf den Soldatenjungen im Hintergrund, der seine Hand zu einem Flugzeug geformt hatte. Es vollführte eine trudelnde Bruchlandung auf der Tischplatte, während der Schmuddeljunge

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