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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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mittlerweile zu breit, um ihn mit einem Fuß auf jeder Seite entlangzulaufen, und floss jetzt durch ein Bett aus Kieseln, scharfkantigen Felsbrocken und seltsamerweise auch ein paar von den Austernschalen. »Dasselbe wie immer.«
    »Helen reißt dir den Kopf ab«, mahnte Adam.
    »Wenn sie es gar nicht mehr aushält, schreibt sie mir bestimmt eine SMS«, wiegelte Gansey ab. Wie zum Beweis zog er sein Handy aus der Tasche. »Oh … kein Empfang.«
    In Anbetracht der Tatsache, dass sie sich mitten in den Bergen befanden, war das nicht unbedingt verwunderlich, aber Gansey blieb abrupt stehen. Während sie zu viert einen unregelmäßigen Kreis formten, wischte er sich durch die verschiedenen Symbole auf dem Bildschirm seines Smartphones. In seiner anderen Hand leuchtete das Messgerät rot. Seine Stimme klang seltsam fremd, als er fragte: »Hat irgendwer von euch eine Uhr?«
    Am Wochenende scherte Blue sich nicht groß um die Uhrzeit, daher trug sie keine, und Ronan hatte nur seine paar Lederbändchen am Arm. Adam hob sein Handgelenk. Daran befand sich eine billig aussehende Uhr mit einem abgewetzten Band.
    »Ich«, sagte er und fügte kläglich hinzu: »Aber anscheinend ist sie stehen geblieben.«
    Wortlos hielt Gansey ihnen sein Handydisplay hin. Es zeigte das Zifferblatt einer Analoguhr und Blue brauchte einen Augenblick, bis sie begriff, dass die Zeiger sich nicht bewegten. Eine Weile starrten sie einfach nur auf die drei reglosen Zeiger. Blues Herz schlug ein Mal für jede Sekunde, die die Uhr nicht zählte.
    »Ist das …«, fing Adam an und hielt inne. Dann versuchte er es noch einmal. »Kann es sein, dass die Energie der Ley-Linie die Uhren beeinflusst?«
    Ronans Stimme war schneidend. »Die soll deine Uhr beeinflussen? Das olle Aufziehding?«
    »Er hat recht«, sagte Gansey. »Mein Handy ist noch an. Und das Messgerät auch. Nur die Zeit ist … ich frage mich, ob …«
    Aber darauf gab es keine Antwort, das wussten sie alle.
    »Ich will weiter«, sagte Gansey. »Nur noch ein kleines Stück.«
    Er wartete ab, ob sie ihn aufhalten würden. Niemand sagte ein Wort, doch als Gansey sich wieder in Bewegung setzte und über einen Felsbrocken kletterte, Ronan dicht hinter sich, warf Adam Blue einen Blick zu. Dieser Blick schien zu fragen: Alles in Ordnung?
    In Ordnung schon, nur ging es ihr jetzt ungefähr so wie vor dem Flug mit dem Helikopter. Sie hatte nicht unbedingt Angst vor den blinkenden Lichtern des Messgeräts oder Adams nicht funktionierender Uhr, aber sie war an diesem Morgen einfach nicht in der Erwartung aufgestanden, einen Ort zu finden, an dem möglicherweise die Zeit stillstand.
    Blue streckte die Hand aus.
    Adam nahm sie, ohne zu zögern, als hätte er nur darauf gewartet. Leise, allein für ihre Ohren bestimmt, sagte er: »Mein Herz klopft wie verrückt.«
    Seltsamerweise waren es nicht seine mit ihren verschlungenen Finger, die Blue am meisten aus dem Konzept brachten, sondern das Gefühl, wie sich sein warmes Handgelenk an ihres presste.
    »Ich muss ihm sagen, dass er mich nicht küssen darf«, dachte sie.
    Aber nicht jetzt. Jetzt wollte sie nur seine Haut an ihrer spüren, das hastige, unsichere Pochen ihrer Herzen.
    Hand in Hand kletterten sie Gansey hinterher. Die Bäume wurden immer höher, manche von ihnen waren zu regelrechten Festungen zusammengewachsen, riesenhaft und mit spitzen Türmchen bewehrt. Hoch über ihnen schwebten die Kronen, rauschend und Ehrfurcht gebietend. Alles war grün, grün, grün. Irgendwo vor ihnen plätscherte Wasser.
    Einen Augenblick lang glaubte Blue, Musik zu hören.
    »Noah?«
    Ganseys Stimme klang verloren. Er war an einer mächtigen Buche stehen geblieben und blickte sich suchend um. Als sie zu ihm aufschloss, erkannte Blue, dass sie sich am Ufer eines Bergweihers befanden, aus dem sich der Bach speiste, dem sie gefolgt waren. Der Weiher war nur wenige Zentimeter tief und vollkommen klar, das Wasser so durchsichtig, dass es förmlich darum zu betteln schien, berührt zu werden.
    »Ich dachte, ich hätte gehört …« Gansey hielt inne. Sein Blick fiel auf Blues Hand in der von Adam. Wieder zeigte sich in seinem Gesicht Verwirrung über die Tatsache, dass sie Händchen hielten. Adams Griff wurde fester, doch Blue hatte den Eindruck, dass es unwillkürlich geschah.
    Wieder entspann sich eine wortlose Diskussion, obwohl Blue nicht glaubte, dass einer der beiden wusste, was er zu sagen versuchte.
    Schließlich wandte Gansey sich wieder dem Weiher zu. Das

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