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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Geburtstagsfeier.
    Walters folgte der Aufforderung, doch mitten in der Diele blieb er breitbeinig stehen, nahm seine Mütze ab und knetete
sie in den Händen, während er sprach. »Bei der Arbeit, wie?« Sein Ton war so missbilligend, dass man hätte meinen können, Gemma verdiene ihr Geld mit Prostitution.
    Kincaid runzelte die Stirn, sagte aber nur: »Nein. Eine Freundin hat angerufen, und Gemma ist zu ihr gegangen. Es gibt da irgendein Problem.«
    »Für ihre Freunde hat sie immer Zeit, wie?«
    Kincaid wunderte sich über Erns aggressiven Ton und fragte sich, ob er vielleicht getrunken hatte.Aber sein Atem roch nicht nach Alkohol, und er schwankte auch nicht. Jetzt war Kincaid wirklich alarmiert. »Kommen Sie in die Küche, und setzen Sie sich, Mr.Walters«, sagte er und wechselte dabei instinktiv wieder zur förmlichen Anrede. »Ich mache Ihnen einen Drink oder eine Tasse Tee, und dann können Sie mir erzählen, was passiert ist.«
    »Ich bleib nicht lange.« Ern Walters schob trotzig das Kinn vor, eine Geste, die Kincaid plötzlich an Gemma erinnerte. »Ich dachte nur, sie sollte es wissen. Gemma. Es geht um ihre Mutter. Sie ist im Krankenhaus. Ist einfach zusammengeklappt.«
    »Was?« Kincaid starrte ihn schockiert an. Das war das Letzte, womit er gerechnet hätte.Vi Walters war eine der taffsten Frauen, die er kannte, unverwüstlich und voller Energie. »Wann? Wo? Geht es ihr wieder besser? Warum haben Sie uns nicht angerufen?« Die Fragen purzelten nur so aus seinem Mund, so schnell, dass gar keine Zeit für Antworten blieb. Er bremste sich, um Ern Walters zu Wort kommen zu lassen.
    »Mitten in der Samstagnachmittags-Hektik. Sie hat gesagt, sie fühlt sich nicht gut. Und dann ist sie umgekippt wie ein gefällter Baum. Ich konnte sie nicht wieder auf die Beine kriegen.«
    Jetzt hörte Kincaid die panische Angst aus Ern Walters’ ruppigem Benehmen heraus. Er zügelte seine Ungeduld und zwang sich, abzuwarten, bis Walters von selbst weiterredete.
    »Der Krankenwagen hat sie nach Whipps Cross gebracht. Sie sagen, ihr Zustand ist stabil, was immer das heißen soll.«

    »Sie haben nicht gewusst, dass sie krank war?«
    Walters starrte ihn an. »Sie hat in letzter Zeit öfter über Müdigkeit geklagt.Wollte immer nur die Füße hochlegen und Tee trinken. Ich hätte nie gedacht …«
    »Nein, natürlich nicht.« So, wie er Vi kannte, konnte Kincaid sich lebhaft vorstellen, wie sie auf den Vorschlag reagiert hätte, einen Arzt aufzusuchen. »Was werden sie im Krankenhaus mit ihr machen?«
    »Tests, haben sie gesagt. Und morgen früh noch mehr Tests.«
    Kincaid zog sein Handy aus der Tasche. »Ich rufe Gemma an. Sie wird sicher hinfahren wol …«
    »Nein.« Ern Walters unterbrach ihn, bevor er auch nur eine Taste drücken konnte. »Sie wird nicht gebraucht. Cyn ist da.«
     
    Harry Pevensey kratzte die Kruste vom Rand seiner Coldcream-Dose ab, schnippte die Krümel von den Fingern und trank dann erst einmal einen tüchtigen Schluck von seinem Bombay Sapphire mit Eis, bevor er das Glas in die linke Hand nahm, um mit der rechten die fettige Creme sorgfältig in seine Gesichtshaut einzuarbeiten. Kreisförmige Bewegungen vom Kinn aufwärts, um die Augen herum zur Stirn, damit keine Falten entstanden. Dann noch einmal mit Papiertaschentüchern nachgewischt, die achtlos in Richtung Abfalleimer flogen. Sorgfältig studierte er das Gesicht, das unter der weißen Maske hervorkam, und nahm noch einen kräftigen Schluck Gin.
    Das war eine der wenigen Vergünstigungen, die er noch genoss – der Drink, der ihm nach der Vorstellung aus der Bar in seine Garderobe geschickt wurde, sogar in diesem schäbigen Pub in Kensington.
    Seine Garderobe . DieVorstellung entlockte ihm ein müdes Lächeln. Früher einmal wäre es tatsächlich seine Garderobe gewesen, als er noch Hauptrollen oder wenigstens zweite Hauptrollen bekommen hatte. Aber jetzt hatte man ihn mit der Rolle des
Landstreichers in Tschechows Kirschgarten abgespeist, in einer Produktion auf Gewinnbeteiligungsbasis, mit einem einzigen Auftritt im zweiten Akt, und noch eins draufgesetzt, indem man ihn ein Zimmer mit einem halben Dutzend Amateuren teilen ließ, die alle noch kleinere Rollen hatten als er. Ein deutlicheres Zeichen dafür, dass es mit der Karriere eines Schauspielers bergab ging, war kaum vorstellbar.
    Er hatte gewartet, bis die anderen sich abgeschminkt hatten und kichernd in die Nacht verschwunden waren, um sich in Ruhe seinem Gin und seinen Betrachtungen widmen

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