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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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einer Bürste durchs Haar, nahm seinen Regenmantel vom Haken und schaltete das Licht aus, und als der Portier die Finger an die Mütze legte, erwiderte Harry den Gruß und machte sich pfeifend auf den Heimweg.
     
    Wie Doug Cullen verließ auch Melody Talbot Duncans und Gemmas Haus zu Fuß.Allerdings hatte sie nicht weit zu gehen, und sie genoss den Spaziergang durch die vom Regen gereinigte Luft. Sie hüllte sich ein wenig fester in ihre Jacke und machte einem Umweg über den Lansdowne Walk, um nicht durch St. John’s Garden gehen zu müssen. Sie hätte es zwar nie offen zugegeben, aber seit den Arrowood-Morden vermied sie es nach Möglichkeit, nachts allein durch diese Straße zu gehen.

    An der Ladbroke Grove machte sie einen kleinen Schlenker und schaute in der Dienststelle vorbei, vorgeblich, um ein paar von ihren Sachen zu holen, aber in Wirklichkeit einfach nur, weil sie die vertraute Umgebung brauchte. Doch die leeren Flure hallten von ihren Schritten wider, und unter den Kollegen von der Nachtschicht sah sie nur wenige bekannte Gesichter. Sie kramte alibimäßig ein wenig in ihrer Schreibtischschublade und trat dann wieder hinaus auf die Ladbroke Road, wo ihre Absätze auf dem Pflaster laut klackten.
    Die schicken Schuhe fühlten sich fremd an, so wie sie selbst sich den ganzen Abend fremd gefühlt hatte. Was hatte sie sich dabei gedacht, als sie sich in diese Situation gebracht hatte, mit zwei Vorgesetzten und dann auch noch diesem neugierigen Doug Cullen an einem Tisch?
    Sie hatte sich geschmeichelt gefühlt, als sie die Einladung bekommen hatte.Aber es war viel zu gefährlich gewesen – dieVersuchung zu groß; der Preis einer Enthüllung viel zu hoch.
    Ihre Schritte verlangsamten sich, als sie sich ihrer Wohnung näherte. Sie hatte nie irgendjemanden dorthin eingeladen, nicht einmal Gemma. Es war eine ihrer eisernen Regeln, und obwohl ein Blick in ihre Personalakte genügte, um ihre Adresse herauszufinden, war bisher noch niemand so kühn – oder möglicherweise so interessiert – gewesen, an ihrer Tür zu klingeln.
    Der zweite Gedanke betrübte sie, und als sie das Haus betrat und mit dem Aufzug zu ihrer Wohnung im obersten Stock fuhr, empfand sie nicht die übliche Erleichterung, sondern vielmehr Bedauern.
    Was hatte sie sich da nur eingebrockt mit diesem Doppelleben? Anfangs war es reine Rebellion gewesen, die Lust am Risiko, die klammheimliche Freude an der Missbilligung ihresVaters; aber sie hatte nicht vorhergesehen, dass ihr der Job einmal so viel Spaß machen würde oder wie einsam und isoliert diese Heimlichtuerei sie machen würde.

    War sie krankhaft misstrauisch, weil sie niemanden in ihre Wohnung ließ? Das Apartment in einem modernisierten Gebäude aus den Dreißigerjahren hatte sie einer Art Abmachung mit ihrem Vater zu verdanken – seine Sorge um ihre Sicherheit gegen ihr Bedürfnis nach Anonymität.Aber sie hatte darauf geachtet, dass die Wohnung klein genug war und so spärlich möbliert, dass sie glaubhaft versichern könnte, sie hätte sie nur gemietet, es sei ein Schnäppchen gewesen. Zuzugeben, dass sie ihr gehörte, kam absolut nicht infrage.
    Einfache Polizeibeamte kauften keine Wohnungen in Notting Hill. Es sei denn, sie besaßen Geld und Einfluss – beides Dinge, denen sie sich seit ihrer Kindheit mit aller Kraft verweigert hatte.
    Aber wenn sie auffliegen sollte, würde nichts mehr so sein wie vorher. Sicher, sie konnten sie nicht einfach so feuern – der Skandal wäre größer, als wenn man sie bleiben ließe. Aber man würde sie unauffällig von den heikleren Jobs abziehen, und die Hoffnung auf eine Beförderung würde sie begraben müssen – nicht einmal in einem isolierten Bergdorf in der Äußeren Mongolei würde man sie noch einsetzen. Die Kollegen würden in der Kantine hinter ihrem Rücken tuscheln und spöttische Bemerkungen machen, Gespräche würden jäh verstummen, wenn sie das Büro betrat, und sie würde nie wieder so richtig zur Truppe dazugehören.
    Der Aufzug hielt an, und Melody stand eine Weile da und blinzelte ins Flurlicht, ehe sie die letzten paar Schritte zu ihrer Tür ging.
    Die Wohnung sah genauso sauber und aufgeräumt aus, wie sie sie verlassen hatte; im Radio lief zur Gesellschaft leise ein Klassiksender … Nicht sauber und aufgeräumt, korrigierte sie sich. Sondern steril.
    Ausnahmsweise schleuderte sie ihre Schuhe einfach irgendwo in die Ecke und warf ihre Jacke über die Sofalehne. Barfuß tappte
sie zum Erkerfenster in der Ecke, das auf

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