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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Bollwerk aus Büchern ringsum an den Wänden und den über Bücher und Papiere gebeugten Köpfen in den von Leselampen erhellten Arbeitsnischen, da überkam ihn ein jähes Gefühl der Unzulänglichkeit. David Rosenthal war so gewesen wie diese Männer – hoch gebildet, ein Gelehrter. Wie hatte er, Gavin, sich auch nur eine Sekunde lang einbilden können, dass Erika Rosenthal sich für einen schlichten Polizisten wie ihn interessieren könnte?
    Aber das war nun einmal sein Job, und er war hier, um ihn zu erledigen. Der Bibliothekar erklärte sich zwar bereit, ihm die Nische zu zeigen, in der David Rosenthal gearbeitet hatte, doch er versicherte Gavin, dass er dort keine persönlichen Gegenstände finden würde, die für ihn von Interesse sein könnten.
    »Die Nischen werden von mehr als nur einem Leser genutzt«, erklärte der Bibliothekar, »und Mr. Rosenthal hat immer darauf geachtet, alle seine Unterlagen mitzunehmen.«
    »Trotzdem würde ich seinen Arbeitsplatz gerne sehen«, beharrte Gavin.
    Doch der Bibliothekar hatte recht gehabt. Nachdem er ihn einmal halb um den Saal herumgeführt hatte, ließ der Bibliothekar ihn allein, und Gavin betrachtete nachdenklich den leeren Stuhl, die zerkratzte, aber saubere Tischplatte und die erloschene Leselampe. Hier gab es nichts – keine Verstecke, keine Geheimbotschaften, keine Spur des Mannes, der seine kostbare Freizeit hier anstatt mit seiner Frau verbracht hatte.
    Gavin wandte seine Aufmerksamkeit dem Mann zu, der am Nebentisch arbeitete, den dunklen Kopf über einen Berg von Papieren gebeugt, auf die das Licht der grünen Leselampe fiel.

    »Verzeihen Sie bitte«, sagte Gavin und trat näher. Der Mann riss sich mit sichtlichem Widerwillen von seiner Arbeit los und musterte Gavin kritisch. Er war jünger, als Gavin im ersten Moment gedacht hatte, und mit seinem lockigen dunklen Haar und seinem fein geschnitenen, spitzen Gesicht musste Gavin unwillkürlich an einen Faun denken.
    »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, fragte er in tadellosem, akzentfreiem Englisch, und da erst wurde Gavin bewusst, dass er automatisch angenommen hatte, der Mann sei Ausländer.
    Nachdem er sich vorgestellt hatte, fuhr Gavin fort: »Ich wollte Sie fragen, ob Sie vielleicht David Rosenthal gekannt haben. Arbeiten Sie öfter an diesem Platz hier?«
    »Abraham Krumholtz.« Der Mann richtete sich halb auf und schüttelte Gavin die Hand. »Ja, ich habe Mr. Rosenthal gekannt. Soweit überhaupt irgendjemand von sich behaupten kann, ihn gekannt zu haben, muss ich hinzufügen.« Krumholtz sprach fast im Flüsterton, um die anderen Leser nicht zu stören.
    Gavin nahm sich den leeren Stuhl und setzte sich so dicht neben Krumholtz, dass das Licht von dessen Lampe auf seine Knie fiel.
    Doch Krumholtz schien nichts dagegen zu haben, dass Gavin ihm so auf die Pelle rückte. Er fuhr leise fort: »Gestern war ein Constable hier und hat nach seinen Sachen gefragt. Da haben wir es erst erfahren. Ich kann es immer noch nicht recht glauben, dass er tot ist. Seit dem Ende des Krieges habe ich immer wieder Seite an Seite mit ihm gearbeitet. Mein Fachgebiet ist jiddische Sprache und Literatur«, fügte er hinzu, als er sah, wie Gavin neugierig auf seine Unterlagen schielte. »So ist das, wenn man ein Einwanderer der zweiten Generation ist – mich faszinieren die Dinge, die für meine Eltern und Großeltern einfach selbstverständlich waren.«
    »Und Mr. Rosenthal?«, fragte Gavin. »Woran hat Mr. Rosenthal gearbeitet?«
    »An einem Erinnerungsband über seine letzten Jahre in Deutschland und vielleicht auch über seine Flucht aus Deutschland, könnte ich
mir vorstellen. Direkt gesagt hat er es nämlich nie. Ich habe das alles nur aus unseren gelegentlichen Unterhaltungen im Lauf der Jahre geschlossen.«
    »Er hat Ihnen nie das Manuskript gezeigt?«
    »O nein. Mr. Rosenthal war sehr … eigen, was seine Arbeit betraf.«
    »Denken Sie, dass er in seinem Buch vielleicht Namen genannt haben könnte? Einige seiner Kollegen an der Schule glauben, er habe Verbindungen zu einer Art Vergeltungsorganisation gehabt.«
    In dem grünlichen Licht war es nicht eindeutig zu erkennen, aber Gavin glaubte Krumholtz erbleichen zu sehen. »Hören Sie, ich bin ein unpolitischer Mensch«, sagte er mit Argwohn in der Stimme. »Ich halte mich aus solchen Dingen völlig heraus. Allerdings hat Mr. Rosenthal tatsächlich mehr als einmal angedeutet, dass es viele Deutsche gebe, die schuldig seien, aber nie als Kollaborateure

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