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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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und waren mit der Widmung »Für Harry« versehen.
    Cullen war inzwischen mit der Küche fertig und sah einen Stapel Rechnungen durch, die er in einem der Fächer des Sekretärs gefunden hatte. »Die Stromrechnung ist überfällig. Beim Schnapsladen um die Ecke stand er in der Kreide, was kein Wunder ist, und wie’s aussieht, hatte er auch Schulden bei seinem …« – er hielt das Papier hoch und musterte es mit zusammengekniffenen Augen – »bei seinem Schneider. Dieser Typ hatte einen Schneider?« Er sah sich mit abschätziger Miene in der Wohnung um. »Das Geld hätte er auch sinnvoller anlegen können, wenn Sie mich …«
    »Wer zum Teufel sind Sie?« Die laute Stimme kam von der Wohnungstür, die sie nur angelehnt hatten.
    Kincaid drehte sich um und erblickte einen jungen Mann in einem T-Shirt mit der Aufschrift Got Slide und zerschlissenen Jeans, der sie streitlustig anfunkelte. Seine blond gefärbten Haare standen zu Berge, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekrochen, und die Augen in seinem ovalen und leicht androgynen Gesicht waren von dunklen Schatten umgeben.
    »Die Polizei«, antwortete Kincaid lässig. »Und wer sind Sie?«
    »Ach du Scheiße.« Der junge Mann sank gegen den Türpfosten,
als hätte ihm jemand die Luft herausgelassen. »Dann wissen Sie also Bescheid? Harry ist tot.«
    »Sie waren mit ihm befreundet?«, fragte Kincaid. Es kam ihm zwar unwahrscheinlich vor, aber er hatte schon merkwürdigere Allianzen erlebt.
    »Ich bin sein Nachbar. Andy Monahan.«
    »Sie haben ihn gefunden?«, fragte Kincaid. Er erinnerte sich an den Namen, den das zuständige Revier ihm genannt hatte.
    »Scheiße«, wiederholte Andy Monahan und erbleichte, sodass die dunklen Ringe unter seinen Augen noch stärker hervortraten.
    Kincaid durchquerte das Zimmer mit ein paar schnellen Schritten, packte Monahan fest am Arm und führte ihn zu einem Sessel. »Kommen Sie, setzen Sie sich.« An Cullen gewandt, fügte er hinzu: »Holen Sie ihm ein Glas Wasser.« Es war nur eine Ablenkung, die sich aber oft als wirkungsvoll erwies, und er wollte nicht, dass irgendjemand sich in Pevenseys Wohnung übergab.
    Monahan nahm das Glas, das Cullen ihm brachte, und trank es zügig aus. Dann lehnte er sich zurück und schloss einen Moment die Augen. »Tut mir leid. Es ist bloß, weil ich das … weil ich ihn immer noch vor mir sehe. Den Anblick werde ich bis an mein Lebensende nicht mehr vergessen.«
    »Warum erzählen Sie uns nicht einfach, was passiert ist?«, schlug Kincaid vor und setzte sich auf die Armlehne des anderen Sessels. »Fangen wir von vorne an.Waren Sie mit Harry befreundet?«
    »Nicht direkt. Aber er war ganz okay. Er hat immer meine Katze gefüttert, wenn ich einen Gig hatte. Er hat gerne erzählt, wenn er mal wieder dem Gin zugesprochen hatte, über die alten Zeiten, als er mit Hugh Laurie und Nigel Havers auf der Bühne gestanden hat – ach ja, und er wollte sogar mal in einem Stück mit Emma Thompson und Ken Branagh aufgetreten
sein.War höchstwahrscheinlich alles leeres Geschwätz, aber mich hat’s nicht gestört.«
    »Harry war Schauspieler?«
    »Genau. Aber nicht gerade vom Glück verfolgt, wie man sieht.« Monahan machte eine Handbewegung, die die ganze Wohnung umfasste. »Ich meine, ich muss gerade reden, aber er war ja auch schon echt alt. Über fünfzig. Ich steh schließlich noch am Anfang.«
    »Sie sind auch Künstler?«, fragte Kincaid.
    »Gitarrist. Ich spiel schon, seit ich zwölf bin. Unsere Band nennt sich Snogging Maggie – ist aber nicht so das Gelbe vom Ei, ehrlich gesagt.«
    Snogging Maggie? , dachte Kincaid. Er mochte sich gar nicht erst vorstellen, wie die Typen sich anhörten. Auf den zweiten Blick musste er seine Schätzung von Andy Monahans Alter revidieren. Er mochte vielleicht Ende zwanzig sein – die blonden Haare und das hübsche Knabengesicht ließen ihn jünger wirken. Und Kincaid schätzte, dass es der Schock war, der in ihm das Bedürfnis ausgelöst hatte, sich auszusprechen. »Dann erzählen Sie doch mal, was gestern Nacht passiert ist.«
    Andys Hände krampften sich um die ausgefransten Knie seiner Jeans. »Wir hatten einen Gig in Guildford.War’ne einzige Katastrophe. Als wir wieder zurück in der Stadt waren, muss es schon so gegen zwei gewesen sein. Die Jungs haben mich vorn an der Oxford Street rausgelassen – wenn hier in der Straße einer parkt, kommt man mit dem Transporter nicht durch.
    Wir hatten ein bisschen was getrunken. Nick und ich. George nicht, der ist ja

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