Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Constantius in Asien den Tod finden werde, sobald Jupiter ins Sternbild Aquarius eintrete und Saturn die Jungfrau berühre. Julian hatte den Traum genau niedergeschrieben, um ihn nicht zu vergessen, und sobald er wieder in Vienne war, schilderte er die Einzelheiten den Astrologen der Stadt, die ihm erklärten, es sei in der Tat ein Omen; es sage voraus, dass Constantius noch vor Ablauf des Jahres sterben werde. Julian war erfreut; aber Eutherius gab mir zu bedenken, dass die Astrologen gerade freundlich gestimmt seien, da sie von den Beschränkungen befreit worden waren, die Constantius ihrer Kunst auferlegt hatte.
Unabhängig davon hatte das Omen Julian zum Nachdenken gebracht. Bald darauf stattete er dem Tempel der Kybele, für den Vienne einst berühmt gewesen war, einen Besuch ab. Anschließend berichtete er: »Ich habe mit den Priestern gesprochen. Es ist an der Zeit, mich zu reinigen und einen neuen Anfang zu machen. Es gibt eine alte Zeremonie, sagen sie. Ich werde mich ihr unterziehen, ehe ich in den Krieg reite. Es ist notwendig; ich spüre es.«
Ich befragte Eutherius über Kybele. »Die Gallier nennen sie die Große Mutter«, sagte er. »Sie ist die Tochter von Himmel und Erde und so alt wie die Zeit selbst. Du triffst überall auf sie, jedoch unter verschiedenen Namen. Selbst die Christen können sie nicht übergehen und haben ihr einen eigenen Namen gegeben. Sie nennen sie Mutter Gottes. Ihre ursprüngliche Heimat ist Ephesus – dort steht ihr bedeutendster Tempel.«
»Den würde ich gern einmal sehen«, sagte ich.
»Vielleicht wirst du das. Und«, fügte er lächelnd hinzu, »vielleicht werde ich dein Fremdenführer sein, wenn unser junger Krieger Julian nicht vorher die Bischöfe gegen sich aufbringt oder auf seinem Weg nach Illyrien in eine Schlucht stürzt.«
An dem Tag, den die Sterngucker für günstig hielten, gingen wir mit Julian in den Kybele-Tempel. Die bekränzten Priester stimmten ihre Gebete an. Auf den Stufen draußen in der klaren Morgensonne sang ein Knabenchor eine alte Hymne, und Diener streuten Lilienblüten über den Marmorboden. Später kam Julian in einem strahlend weißen Gewand aus dem inneren Heiligtum, die Haare feucht vom Wasser des heiligen Brunnens. Selbst Eutherius, der für Tempelzeremonien nicht viel übrig hatte, sagte zu mir, als wir den blütenübersäten Hof durchquerten: »Es scheint, als ob die Göttin ihren neuen Anhänger begünstigt.« Und tatsächlich haftete Julians Schritten eine neue Leichtigkeit an.
»Die Priester sagten ihm, er sei wiedergeboren worden«, bemerkte ich.
Eutherius rümpfte die Nase. »Das haben sie gesagt? Nun, jedenfalls braucht er sich jetzt nicht mehr zu verstellen, was für keine Seele gut ist. Vielleicht kann man das eine Wiedergeburt nennen.«
»Aber du hältst nichts davon?«
»Ich halte nichts von Priestern. Es heißt, die Götter erwählen sich, wen sie wollen; ich kann nur annehmen, dass sie mich nicht erwählt haben.«
Er blickte mich auf seine typische Art von der Seite an, dann ließ er mich allein, denn er wollte der kleinen heiteren Sängerschar, die von allen vergessen am Brunnen wartete, sein Lob aussprechen.
Bald darauf meldeten unsere Kundschafter, dass die hohen Pässe eisfrei seien. Wir machten uns marschbereit, und Julian rief die Soldaten zusammen, um ihnen seine Pläne mitzuteilen. Der Appell hatte aber auch einen anderen Zweck, vor dem Nevitta uns vorher heimlich warnte. In der wichtigtuerischen, vertraulichen Art eines Mannes, der Geheimnisse verbreitet, ging er reihum und sagte jedem, Julian wolle alle um den Treueid bitten. Das wäre der endgültige Bruch mit Constantius gewesen, denn dieser Eid wird nur dem Kaiser geschworen.
Wieso Nebridius von der Warnung ausgenommen wurde, weiß ich nicht. Vielleicht eine unglückliche Fügung. Allerdings war es kein Geheimnis, dass Nevitta den altmodischen italischen Anstand des Präfekten nicht leiden konnte und eine Zeit lang auf Julian eingewirkt hatte, ihn zu entlassen.
An dem festgesetzten Tag ging ich mit Marcellus und Jovinus vor die Stadt, wo das Heer sich versammelte. Marcellus stellte sich zu den anderen Offizieren bei Nevitta; ich blieb bei Jovinus und plauderte mit ihm, bis alle sich aufgestellt hatten.
Bald erschien auch Nebridius. Er blieb kurz stehen, um mich auf seine höfliche, ein wenig steife Art zu grüßen; dann gesellteer sich zu den Beamten der Präfektur, die als kleine Gruppe unter der erhöhten Bühne standen. Ich unterhielt mich weiter
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