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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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mit Jovinus, ohne zu ahnen, was kommen würde. Es war ein schöner Frühlingsmorgen. Die Stadt strahlte rosa und weiß in den schrägen Sonnenstrahlen. Sie schienen auf das stille Wasser der Rhone und funkelten auf den Feldzeichen mit ihren bronzenen Kränzen und Adlern. Über den Reihen hing erwartungsvolles Gemurmel. Die Soldaten hatten über Julians Pläne noch nichts Genaues erfahren, doch ihnen war klar, dass der Augenblick der Entscheidung gekommen war.
    Der Tribun gab das Zeichen, und die Trompeten schmetterten. Dann stieg Julian die Holzstufen hinauf. Er trug sein neues Diadem, seinen glänzenden Brustpanzer und den schweren Mantel von kaiserlichem Purpur. Ein paar Augenblicke hielt er inne, um die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu ziehen; dann begann er zu sprechen. Er erinnerte die Männer daran, wie er zum ersten Mal nach Gallien gekommen war, jung und unerfahren, wie sie gemeinsam die Barbaren vertrieben hatten und dass sie, obwohl stets in der Unterzahl, nie besiegt worden waren, entgegen allen Vorhersagen ihrer Feinde bei Hof. Doch nun, so erklärte er, wolle Constantius Krieg gegen sie führen, und die Zeit sei gekommen, den Blick nach Osten zu richten. Sie müssten ihre Familien verlassen, so hart es auch sei, und als Erste angreifen, da sie sonst alles verlieren würden.
    Während seiner flammenden Rede war es in den Pausen zwischen den Sätzen so still, dass man die Vögel zwitschern hörte und die Geräusche des fernen Hafens vernahm. Und Julian hielt sie in der Hand, diese locker verbundene Schar von Kämpfern, deren Selbstvertrauen er wieder aufgerichtet hatte. Seine Zeit in Athen bei den alten Gräbern Platons und der Rhetoriker, die ihm den Spott seiner Gegner eingetragen hatte, war nicht vergeudet gewesen. Er hatte den Zauber geschliffener Worte erlernt und brachte ihn nun bei den Soldaten zur Wirkung, nicht um zu täuschen oder zu betrügen, sondern umjedem Einzelnen sein verheißungsvolles Potenzial vor Augen zu führen. Und das Geheimnis fand sich nicht in Rauch und Tränken oder Beschwörungsformeln und Mohnsaat, sondern in der Klarheit hart erarbeiteter Kenntnisse.
    »So will ich euch nun sagen, was wir tun werden.« Er sprach zu ihnen als Freund und Soldat und umriss seinen Plan.
    Als er fertig war, breitete er die Arme aus und fragte: »Wollt ihr mir folgen?« Alle brachen in tosenden Jubel aus, brüllten seinen Namen und schlugen mit dem Schwert auf ihre Schilde.
    Dann, als es wieder still war, bat er sie, den Treueid zu schwören.
    Die Zenturionen gaben umgehend den Befehl. In disziplinierter Bewegung hob jeder sein Schwert, hielt sich die Klinge an die Kehle und schwor mit der alten Formel, Julian bis in den Tod zu folgen. Die dunklen, drohenden Worte, die wie ein Gebet oder ein Fluch klangen, richteten ihnen die Nackenhaare auf und ließen mein Herz schneller schlagen.
    Schließlich kamen wir an die Reihe. Von seinem Platz auf der hölzernen Plattform schaute Julian uns an und nickte uns arglos lächelnd zu. Nevitta schwor als Erster, zog sein Schwert und setzte es an die Haut über seiner vergoldeten Brustplatte; dann folgten wir seinem Beispiel und verpflichteten uns einstimmig.
    Noch ehe ich fertig war, bemerkte ich leises Raunen und Unruhe. Die Männer hinter Nevitta verdrehten die Augen nach rechts und links, um zu sehen, was los war. Seltsam – das war nicht der passende Moment, sich umzudrehen und zu gaffen. Dann tat sich in der Menge eine Lücke auf, und ich sah Nebridius mit zusammengepressten Lippen dastehen; sein stolzes Aristokratengesicht war starr vor Zorn und Demütigung.
    Er hatte den Eid verweigert.
    Ich steckte mein Schwert in die Scheide zurück. Julian oben auf dem Tribunal musste die Unruhe gehört haben, beachtete sie jedoch nicht. Er hätte sich gewiss nicht damit befasst, hätteNevitta nicht geschrien: »Seht! Der Präfekt verweigert den Schwur!«
    Jetzt konnte Julian es nicht mehr ignorieren. Er blickte drohend hinab, war vermutlich aber wütender auf Nevitta als auf Nebridius. Doch er kam damit zu spät. Nebridius, der sich plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit sah, erklärte törichterweise mit klarer, zorniger Stimme, die in der Stille weit zu hören war: »Ich darf mich nicht durch einen Eid gegen Constantius binden, dem ich bereits verpflichtet bin.«
    Von den vorderen Reihen kamen Wutschreie. Männer stürmten nach vorn an den bestürzten Zenturionen vorbei und umringten Nebridius. Er war nicht mehr jung und schon gar kein Soldat, doch er

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