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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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wie immer, wenn er die Götter einbezog, aber nicht respektlos, vielmehr so, als wollte er sagen, dass die Götter ebenfalls lächelten und wir es ihnen gleichtun sollten. Er hielt inne, als ein Distelfinkweibchen angeflattert kam und sich auf einen Ast des Feigenbaums setzte. Es drehte zwitschernd den Kopf hin und her.
    »Wir hatten bisher nur Erfolg«, fuhr er fort. »Nun, wo die Umstände gegen uns sind und wir geprüft werden, müssen wir es ertragen, denn im Unglück erkennt der Mensch, was er will, meint ihr nicht? Aber seht euch an! Ihr seid dünner geworden, und da Agatho sich solche Mühe gemacht hat, uns dieses fürstliche Mahl zu bereiten, solltet ihr wenigstens noch einen Honigkuchen essen oder eins von diesen verführerischen Eiern … Was Constantius angeht, er ist zwar stark, aber ängstlich. Seine Furcht kann ihm gefährlicher werden als Julian, und er hat keine wirksame Waffe dagegen. König Sapor wartet an der persischen Grenze auf ihn, und wir nähern uns von Westen. Wir haben Illyrium eingenommen, wo er die meisten Soldatenrekrutiert, ganz zu schweigen von den Gold-und Silberminen, die er gewiss vermissen wird. Darum sollten wir uns wegen der bockigen Städte in Italien keine Sorgen machen, auch nicht wegen Aquileia … Nein, Drusus, dieser Kampf wird anderswo entschieden.«
    Er nahm ein Ei aus dem Weidenkörbchen, wo sie mit grünen Kräutern garniert ordentlich aufgehäuft lagen, und drückte es mir in die Hand.
    »Da«, sagte er. »Nun iss, und vertrau auf deine Erfahrung.« Dann rief er nach einem Krug Wein und Quellwasser sowie einem frischen Brotlaib und fragte Marcellus nach seinem Pferd.
    Im Herbst nahmen wir den Succi-Pass ein, der das Latein sprechende Illyrien von Thrakien trennte.
    Die enge Schlucht wird von einer starken Festung bewacht, welche die Passstraße überblickt. Unsere Kundschafter waren mit der Nachricht zurückgekehrt, dass die Festung verlassen sei.
    Julian rief die Kundschafter zu sich, um sie persönlich zu befragen, denn er konnte es kaum glauben. Eine Garnison von hundert Mann konnte an dieser Stelle eine ganze Legion aufhalten; es schien irrsinnig, dass Constantius die Festung aufgegeben hatte.
    Wir machten uns auf den Weg durch das Flusstal, um uns selbst davon zu überzeugen, zogen nach Osten auf die steilen, schneebedeckten Gipfel des Haemus und der Rhodopen zu und stiegen die Straße zwischen Obstbauterrassen und Ziegenweiden hinauf. Und tatsächlich: Wie die Kundschafter berichtet hatten, war die Festung über dem Pass verlassen.
    Während unsere Männer sie sicherten, die Tore instand setzten und auf den Maultierzug warteten, ritten wir mit Julian über einen Ziegenpfad zum Gipfel hinauf. Als der Pfad zu steil wurde, ließen wir die Pferde stehen und gingen zu Fuß weiter, bis wir endlich zu einer hohen Felsnase aus schwarzem Gestein gelangten, an der Flechten wuchsen und kleine weiße Gebirgsblumen blühten. Ich kletterte hinauf und duckte mich gegen den böigen Wind. Marcellus, der schon dort war, nahm meine Hand und zog mich auf den flachen Felsüberhang.
    Als ich oben stand, hielt ich den Atem an. Weit unten breitete sich die thrakische Ebene wie ein blaugrüner Teppich aus, geteilt durch den Hebrus, der wie ein silbernes Band in der Sonne glänzte.
    Julian kam zu uns herauf.
    »Seht da drüben!«, rief er in den brausenden Wind. »Das ist Philippopolis.«
    Die weißen Mauern der Stadt wanden sich über baumbestandene Hügel. Zwischen den Häusern konnte ich das Stadion, das Theater und die Tempel erkennen.
    Julians Augen leuchteten. »Das ist der Schlüssel zu Thrakien«, sagte er. »Wenn wir diese Stadt eingenommen haben, steht nichts mehr zwischen uns und Konstantinopel.«
    Ich schaute ins Tal hinunter. Jenseits der fernen Stadt erstreckte sich die Ebene bis nach Asien. Julians Begeisterung war ansteckend. Es schien, als könnten wir alles erreichen, wenn wir es nur versuchten.
    Doch später in der Festung kam Nevitta zu mir, als ich allein war und mein Pferd in den Stall stellte. Er schlich sich von hinten an, sodass ich ihn nicht hörte.
    »Ich verstehe nicht, wieso Julian so strahlt«, sagte er. Seine kleinen, verschlagenen Augen forschten eindringlich in meinem Gesicht.
    Ich blickte ihn an und fragte mich, was er im Schilde führte. Er hatte mich noch nie allein aufgesucht. Wie immer war er viel zu vornehm gekleidet und trug einen schweren Mantel mit Pelzkragen und einer kunstvollen Goldbrosche.
    Da ich nicht antwortete, redete er weiter.

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