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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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weit ist Jovinus entfernt?«, fragte er.
    »Er ist diesseits der Alpen«, sagte Nevitta. »Auf der Straße nach Sirmium. Er wird bis zum Monatsende hier sein.« Er zeigte auf eine Stelle auf der Karte.
    Julian blickte kurz darauf; dann ging er unruhig auf und ab. »Jovinus muss umkehren und Aquileia belagern«, entschied er schließlich.
    Daraufhin redeten alle durcheinander, Nevitta am lautesten. »Was denkst du dir dabei?«, rief er. »Aquileia wurde noch nie erobert! Die Stadt ist uneinnehmbar. Jovinus kann ein Jahr und länger da sitzen.«
    Plötzlich waren alle still. Nevitta sah sich mit schnellen, scharfen Blicken nach Unterstützern um wie ein Mann, der sich ungewollt eine Blöße gegeben hat. In seiner Miene, die er in Julians Gegenwart sonst immer sorgfältig glatt hielt, malten sich Zweifel und Zorn ab.
    Und ich, der ich meine eigenen Gründe hatte, auf Nevittas Stimmungen zu achten, sah noch etwas anderes auf seinem Gesicht. Nicht Furcht, wie ich zuerst glaubte, sondern Berechnung. Denn in diesem Augenblick dämmerte ihm zum ersten Mal, dass wir unterliegen könnten und was das für ihn bedeutete.
    »Wir haben den Winter«, sagte Julian. »Wir werden Jovinus alles geben, was er braucht. Auch von Troja hieß es einmal, es sei uneinnehmbar, und doch wurde die Stadt erobert. Wir müssen an uns selbst glauben und auf die Götter vertrauen, wo wir nicht mehr weiterwissen.«
    Nevitta runzelte die Stirn. Er wusste, was er wusste, und hatte keine Zeit für Philosophie und Gedanken an die Götter. Doch er schwieg; er spürte, dass er schon zu viel gesagt hatte.
    Anschließend wurde über Einzelheiten gesprochen – was für die Belagerung vonnöten sei, was Jovinus geschickt werden könne und so weiter. Doch niemand sprach aus, was er an erster Stelle dachte – dass wir in gefährlicher Weise angreifbar waren. Was hätte das auch für einen Sinn gehabt? Wir mussten die Lage nehmen, wie sie war.
    Später, als wir draußen in dem großen Hof allein waren, sagte ich zu Marcellus: »Hast du Nevittas Gesicht gesehen? Unlängst hat er noch über unsere Vorsicht gelacht und geprahlt, der Sieg sei uns in den Schoß gefallen wie eine reife Frucht.«
    Marcellus zuckte die Achseln. »Ihm ist klar geworden, dass er den Mund hätte halten sollen. Er ist ratlos, deshalb schlägt er um sich. Er ist ein Großmaul. Aber vielleicht ist er diesmal eine Weile still.«
    Wolken schoben sich vor die Sonne. Ich rieb mir die Arme, da mir plötzlich kalt war. Schon raschelte Herbstlaub auf dem gemusterten Marmorboden. Bald würde man Mäntel und lange Tuniken tragen müssen. In der gegenüberliegenden Kolonnade näherte sich Eutherius, der von Julians Gemächern kam; sein leuchtender Umhang bauschte sich im Wind. Wir gingen ihm entgegen.
    »Wie geht es Julian?«, fragte ich.
    »Er ist besorgt, aber entschlossen«, sagte er. »Er ist mit Oribasius gegangen, um Hermes zu opfern. Ich dagegen werde den Gott des Frühstücks ehren, der mir immer gute Dienste geleistet hat. Wollt ihr euch anschließen?«
    So begleiteten wir ihn in seine neuen Räume – eine angenehme Zimmerflucht mit einem eigenen geschützten Garten, wo an einer Mauer ein Feigenbaum stand. Wir speisten auf Gitterstühlen auf der Terrasse, wärmten uns in der Sonne und sprachen über die Neuigkeiten aus Aquileia.
    Ich fragte, was Constantius nun wohl tun würde.
    »Er eilt bereits nach Konstantinopel«, sagte Eutherius, »wo seine übrigen Streitkräfte zusammengezogen werden. Er wird über unser Pech zweifellos erfreut sein. Die Schmeichler und Intriganten werden seine Eitelkeit nähren und ihn erinnern, dass er der Herr der Welt und unbesiegbar ist.«
    Er redete in unbeschwertem Ton; die grimmige Laune Nevittas und der anderen schien er nicht zu teilen.
    »Aber Eutherius«, sagte ich, »du redest, als ob das gar nicht wichtig wäre. Wie können wir jetzt noch hoffen, ihn zu besiegen? Wir sind nur wenige, und unsere Hoffnung lag in der Schnelligkeit.«
    Er stellte seinen Becher auf den weiß gestrichenen Gartentisch.
    »Drusus, mein Lieber, wir dürfen uns von der plötzlichen Angst des tapferen Nevitta nicht beunruhigen lassen. Wir haben dieses Unternehmen mit offenen Augen angefasst; wir haben uns entschieden, Julian zu folgen, und Julian blieb gar keine andere Wahl. Er sagt, die Götter wollen es, und wer sind wir, zu behaupten, es wäre anders? So lasst uns auf die Götter vertrauen, da wir mit vernünftiger Überlegung nicht weiterkommen.«
    Er sagte es augenzwinkernd,

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