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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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öffnen.«
    Ich nickte, dankte ihm und ging. Nachdem ich ein paar Schenken abgesucht hatte, entdeckte ich Rufus in einer der Trinkhallen beim Schlachthof, die gern von den Fleischhändlern aufgesucht wurden. Er saß allein an einem grob gezimmerten Tisch und starrte auf den Krug Wein, der vor ihm stand.
    In der Nähe des Ausschanks spielte ein halb nacktes Mädchen eine schleppende Melodie auf der Flöte. Die meisten Markthändler waren schon gegangen, sodass die Schenke fast leer war. Vier oder fünf Huren waren geblieben. Sie saßen plaudernd und lachend an einem Tisch.
    Rufus hatte mich nicht bemerkt. Ich war in der Tür stehen geblieben. Währenddessen stand eine der Huren von ihrem Hocker auf und ging mit den schleppenden Bewegungen eines Menschen, der widerwillig einen Auftrag ausführt, zu ihm hinüber und sprach ihn an. Ohne aufzusehen, scheuchte Rufus sie zornig davon. Sie zog einen Schmollmund und kehrte zu ihren Freundinnen zurück.
    Rufus trug seine schmucke Kavallerieuniform – eine weiße Tunika mit roten Säumen und braunem Ledergürtel. Seine sonst so schlanken, festen Muskeln waren weich geworden, sein junges Gesicht, das unbeschwerte Heiterkeit ausgestrahlt hatte, war mürrisch und gerötet. Doch selbst jetzt war er ein gut aussehender junger Mann, trotz der Auswirkungen des vielen Weins.
    Die Huren hatten mich inzwischen bemerkt; darum ging ich über den mit Sägemehl bestreuten Boden zu seinem Tisch.
    Er stierte düster in seinen Becher und blickte erst auf, als ich neben ihm stand. Als er mich erkannte, erschrak er, versuchte es jedoch zu überspielen. »Geh weg, Drusus. Lass mich in Ruhe.« Er war betrunken; dabei war es erst vor einer Stunde hell geworden.
    »Komm mit, Rufus. Du hast genug.«
    »Was geht dich das an?« Trotzig trank er einen großen Schluck, knallte den Becher auf den Tisch, fluchte und sagtenoch einmal, diesmal lauter: »Ich habe dir gesagt, du sollst verschwinden.«
    Einen Moment lang blickte ich in dem grauen Dämmerlicht auf ihn hinunter. Drüben beim Schanktisch brachen die Huren in Gelächter aus. Eine äffte ihn schrill nach: »Geh weg, geh weg!«
    Rufus schoss ihnen einen wütenden Blick zu und nahm seinen Becher. Ehe er ihn an die Lippen setzte, nahm ich ihn weg und schleuderte ihn in die Ecke, wo er zersprang. Dann packte ich Rufus beim Kragen, riss ihn hoch und schob ihn zur Tür, am Tisch der Huren vorbei. Diese waren verstummt, sperrten die geschminkten Münder auf und starrten uns an. Draußen stand eine Pferdetränke. Dort tauchte ich ihm zweimal den Kopf ins Wasser, dass er hustete und spuckte.
    »Warum tust du das?«, schrie er.
    »Es ist genug, Rufus! Hörst du? Sieh dich an! Wie kannst du dich nur so gehen lassen und vollgesoffen wie ein Kamel in einem Hurenhaus sitzen, während du im Dienst bist? Du solltest dich schämen.«
    »Schämen?«, rief er. »Was glaubst du denn, was ich tue? Du weißt doch genau, was sie mit mir gemacht haben, damals im germanischen Wald. Würdest du dich danach nicht schämen?« Er schniefte und wischte sich übers Gesicht. »Ich verabscheue mich selbst, Drusus, wenn du es wissen willst. Ich hasse mich und mein Leben. Ich habe alles falsch gemacht.«
    Ich ließ ihn los. Mit triefenden Haaren und hoffnungslosem Blick sah er mich an.
    »Wie alt bist du?«, fragte ich.
    »Zwanzig.«
    »Dann wird es Zeit, dass du aufhörst, dich wie ein Kind zu benehmen. Glaubst du, du bist der Einzige, der Qualen durchlitten hat? Willst du dich ewig daran festhalten? Richte den Blick auf das Gute in dir.«
    »Da ist nichts mehr.«
    »Muss ich dich noch mal untertauchen? Da ist sehr wohl noch etwas. Jeder hat es gesehen. Ich habe es gesehen, und Marcellus ebenfalls.«
    Er blickte auf. Seine Augen schwammen in Tränen.
    »Wirklich?«
    »Natürlich. Du warst der feinste Kerl in der ganzen Reiterei. Und du wirst es wieder sein.«
    Er ließ den Kopf hängen. »Du weißt nicht, wie das ist … du verstehst das nicht. An mir ist nichts Gutes.«
    »Nun komm«, sagte ich. »Gehen wir ins Badehaus, da kannst du den Wein ausschwitzen.«
    Die Thermen waren ganz in der Nähe, ein schöner Bau mit Säulengängen und Mosaiken mit grünem Papyrus und Seerosen, der von Constantin erneuert und erweitert worden war.
    Ich ging mit Rufus ins Schwitzbad. Er saß stumm auf dem Sims und schämte sich sogar seiner Nacktheit, wie mir schien. War auch das eine Folge des Erlebten, fragte ich mich. Und plötzlich kam mir die Wut hoch – nicht auf Rufus, trotz all seiner

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