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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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er.
    »Wir waren dabei«, antwortete Marcellus.
    »Ihr wart dabei?« Oribasius schaute beeindruckt, und ein Lächeln huschte über sein zierliches, ernstes, beinahe weiblich anmutendes Gesicht. »Nun, Julian hat sie gewarnt. Dennoch wird man ihm die Schuld geben. Er ist jetzt mit ihnen in seinem Arbeitszimmer. Er hat nach euch gefragt.«
    Ich hörte laute Stimmen, die bis auf die Treppe drangen. Als wir eintraten, fuhren grimmige Gesichter zu uns herum und schauten uns an, als hätten sie damit gerechnet, dass eine Handvoll Meuterer hereinstürmt, um sie niederzumetzeln – Decentius, der alle Aufgeblasenheit verloren hatte und gehetzt wirkte; Pentadius, dem der Schrecken ins Gesicht geschriebenstand, und der Quästor Nebridius, einer von Florentius’ Leuten, den sie für ihr Vorgehen vereinnahmt hatten.
    Nachdem sie jedoch gesehen hatten, wer tatsächlich gekommen war, wandten sie sich wieder Sintula zu, der aschfahl und noch in seinem Reitmantel am Fenster stand. Er musste die Soldaten zurückgelassen haben und auf dem kürzesten Weg zur Zitadelle geeilt sein.
    »Wie es scheint, sind unsere Freunde auf Schwierigkeiten gestoßen«, sagte Julian, der meinen Blick auffing und sich seine Belustigung kurz anmerken ließ. »Drusus, vielleicht möchtest du ihnen unterbreiten, was deiner Ansicht nach getan werden kann – denn meine Meinung gefällt ihnen offenbar nicht.«
    So wiederholte ich, was schon viele Male gesagt worden war: dass die Loyalität der Männer Gallien galt, wo sie geboren waren und wo ihre Familie lebte; dass sie während der vergangenen Jahre unter Julians Führung allen Widrigkeiten zum Trotz verteidigt hatten, was ihnen gehörte, und dass sie nicht willens waren, die Heimat zu verlassen.
    »Ihre Loyalität muss dem Kaiser gelten«, schnauzte Decentius, um mich zum Schweigen zu bringen.
    »Und was ist mit der soldatischen Disziplin?«, fragte Sintula.
    »Sie fühlen sich betrogen. Sie haben ein Versprechen erhalten.«
    Decentius schnaubte. »Dieses Versprechen hätte nicht gegeben werden dürfen. Ich will nichts mehr davon hören.« Plötzlich fuhr er Sintula an: »Warum hast du nicht weitermarschieren lassen? Soll ich etwa glauben, du seist unfähig, eine Kraftprobe mit einer Horde Weiber zu gewinnen?«
    Sintula wurde rot. »Aber Notar! So war es nicht. Die Männer hätten eine Meuterei angefangen!«
    »Er hat recht, es wäre zum Aufruhr gekommen«, bestätigte ich, aber nicht um seinetwillen, denn er war mir zu ehrgeizig. Als Soldat wusste er genau, was geschehen wäre, hätte er weitermarschieren lassen. Decentius dagegen schwelgte in dem Mut eines Mannes, der noch keine Schlacht erlebt hat.
    Nebridius, der sich bisher nicht geäußert hatte, fragte mit ruhiger Stimme: »Was nun?«
    Stille trat ein. Alle Blicke richteten sich auf Julian. Als Decentius dies sah, rief er: »Ihr könnt doch die Lösung nicht von ihm erwarten!«
    »Fällt dir etwas Besseres ein?«, fragte Nebridius.
    Decentius bedachte ihn mit einem wütenden Blick. Man gab einem kaiserlichen Notar keine Widerworte, es sei denn, man sehnte sich nach dem Tod. Aber Marcellus, der solche Männer verachtete, sagte: »Julian kennt die Soldaten. Du nicht.«
    Decentius fuhr zu ihm herum wie ein bösartiger, in die Enge getriebener Hund. Marcellus erwiderte kühl seinen Blick. Dann sagte Julian: »Du kannst nur eines tun, Notar: Du musst den Männern erlauben, ihre Frauen und Kinder mitzunehmen. Das ist die einzige Möglichkeit.«
    »Das ist absurd!«
    »Dann tu, was du willst. Du hast diese Schwierigkeiten selbst herbeigeführt. Begreifst du denn gar nicht, was heute beinahe passiert wäre? Ich schlage vor, du denkst darüber nach.«
    Julian wandte sich Nebridius zu, der mehr Vernunft besaß.
    »Der Quartiermeister wird dir Wagen für die Frauen geben. Du solltest sie lieber von Paris wegbringen lassen, bevor die anderen Einheiten eintreffen.«
    Zwei Tage später brachen die Soldaten auf, eine mürrische Schar entmutigter Männer, angeführt von einem jämmerlichen Tribun und gefolgt von Karren mit zerlumpten Frauen, die sich gegen die Kälte eingemummt hatten.
    Während der Vorbereitungen war Decentius in seiner Unterkunft in der Zitadelle geblieben. Doch jetzt, wo die Truppen abmarschierten, zeigte er sich wieder. Völlig unverdrossen, voll törichter Selbstgewissheit schritt er mit Pentadius umher,als hätte er einen Sieg errungen. Er beschwerte sich bei Julian, dass von Lupicinus noch immer keine Nachricht gekommen sei, dessen Legionen

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