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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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konnte sonst wer stehen und uns belauschen. Ich fing Marcellus’ Blick auf. Es war schon gefährlich, auch nur den Namen des kaiserlichen Agenten in einem solchen Tonfall zu nennen. Begriff der Junge das denn nicht?
    Ich gab eine nichtssagende Antwort und riet ihm, nicht auf Gerüchte zu hören. Dann, um das Thema zu wechseln, sprach ich ihn auf seine neue Schimmelstute an. Nevitta hatte es gern, wenn seine Soldaten Pferde gleicher Farbe ritten; er hatte eine Vorliebe für das Protzige. Mit meiner Frage wollte ich Rufus auf sicheren Boden lenken, denn der Schreiber war nun in der gegenüberliegenden Kolonnade noch einmal stehen geblieben und tat so, als prüfte er das Bündel Papiere, das er bei sich trug.
    Vor einiger Zeit noch hätten Rufus’ Augen bei der Erwähnung seines Pferdes aufgeleuchtet, doch nun zuckte er bloß die Achseln und erwiderte gleichgültig, das Tier sei scheu und schlecht erzogen. Sein Blick schweifte ab, und bald entschuldigte er sich und eilte davon, scheinbar mit der Absicht, seinen gefährlichen Klatsch weiter zu verbreiten.
    Marcellus, der meine Gedanken gelesen hatte, sah ihm nach und wandte sich mir dann kopfschüttelnd zu.
    »Gehen wir ein Stück«, sagte ich.
    Wir sprachen erst wieder, nachdem wir unter dem Bogen durchgegangen und in den Pflaumengarten gelangt waren, wo uns niemand belauschen konnte.
    »Hat Decentius den Verstand verloren?«, sagte Marcellus. »Er weiß, was bei der Palastgarde vorgefallen ist. Begreift er denn nichts?«
    Julian hatte zwei Tage lang den Notar zu überzeugen versucht, die Männer anderswo und in kleineren Gruppen zusammenzuziehen, damit die Unzufriedenheit nicht um sich greifen konnte. Zuletzt hatte ich gehört, Decentius habe es am Ende eingesehen. Er musste seine Meinung wieder geändert haben, und Nevitta hatte es seinen Trinkkumpanen bereitwillig erzählt, als er davon erfuhr.
    »Es sähe Decentius nicht ähnlich, von jemandem einen Rat anzunehmen«, sagte ich. »Er denkt, dass Julian nur seine Absichten vereiteln will.«
    »Jeder Dummkopf kann erkennen, dass seine Vorgehensweise falsch ist.«
    »Aber nicht Decentius. Er argwöhnt, dass Julian etwas im Schilde führt, und glaubt ihn überlistet zu haben.«
    Marcellus schlug mit der Faust gegen die dunkle Rinde des Pflaumenbaums, an dem wir standen, und fluchte leise.
    »Ich weiß«, sagte ich. »Er gießt damit Öl ins Feuer.«
    Bald trafen die Einheiten nacheinander ein; die Petulantes als Erste, dann die keltischen Hilfstruppen und die Kohorten der anderen Legionen. Alle außer den Herulern und Batavern, die noch mit Lupicinus in Britannien waren.
    Da sie für das Kastell auf dem Hügel zu viele waren, schlugen sie ihre Zelte außerhalb der Mauern auf den sanften Hängen am Flussufer auf. Julian begrüßte alte Kameraden und erinnerte sich gemeinsam mit ihnen an ihre tapferen Taten. Als sie sich beklagten, dass sie nach Osten marschieren sollten, gab er zu bedenken, dass es noch viele Siege zu erringen gelte undsie gewiss zu Ruhm und Reichtum gelangen würden. Die Männer hörten ihm respektvoll zu, weil sie ihn mochten. Doch ihre Gesichter verrieten, dass sie nicht überzeugt waren.
    Decentius legte bei Julian Protest ein und sagte, er führe sich unmöglich auf. Doch ich war dabei. Hätte er mit dem Brauch gebrochen und sich nicht sehen lassen, wären die Soldaten sofort misstrauisch geworden. Sie hatten bereits dunkle Gerüchte gehört und waren bereit, alles Schlechte zu glauben, das ihnen zugetragen wurde.
    Dann, an einem düsteren Wintermorgen, als das Heer zusammengezogen und abmarschbereit war, kam ich auf meinem Weg zu Julian an Decentius vorbei, der zornig über den Innenhof schritt. Bei ihm waren Pentadius und der Quästor Nebridius. Als ich bei Julian eintrat, sagte er: »Decentius ist soeben hier gewesen. Er hat beschlossen, den Tag des Abmarsches vorzuziehen.« Julian nahm ein Pergament vom Tisch und hielt es mir hin. »Hier, sieh dir das an. Das zirkulierte angeblich unter den Petulantes.«
    Ich las. In ungelenker Handschrift standen da die altbekannten Klagen: dass die Männer gezwungen würden, ihre Familien zu verlassen; dass Versprechen gebrochen worden seien und dass die Barbaren nach dem Abzug der Soldaten wieder einfallen würden.
    »Weißt du, wer das geschrieben hat?«, fragte ich und gab es Julian zurück.
    »Decentius beschuldigt mich.«
    Unsere Blicke trafen sich. Nach einem Moment schaute Julian achselzuckend zur Seite. »Ich werde sogar beschuldigt, wenn ich

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