Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
überhaupt nichts tue. Jetzt verlangt Decentius, dass ich die Offiziere ausfrage, um festzustellen, wie weit sich diese Ansichten verbreitet haben. Mit ihm will natürlich niemand reden … Darum habe ich alle Offiziere für heute Abend zu einem Bankett eingeladen. Komm auch, Drusus, und bring Marcellus mit.«
Die Petulantes und die Kelten waren Regimenter mit Männern aus Gallien, in denen auch einige barbarische Freiwillige dienten. Einige waren an die römische Lebensweise gewöhnt, andere nicht so sehr, insbesondere die Petulantes, die sich an ihre eigenen Bräuche hielten. Ihnen zu Gefallen lud er zu einem Festmahl, das eines Barbarenhäuptlings würdig gewesen wäre: Er ließ große Platten mit gebratenem Fleisch und stark gewürzten Soßen auftischen, dazu kräftigen gallischen Rotwein, der aus einem massiven Silberkrug ausgeschenkt wurde – einem prächtigen Ding mit Hirschreliefs, groß genug, um einen erwachsenen Mann aufzunehmen.
Für seinen genügsamen Gaumen dürfte das fette Essen widerlich gewesen sein. Doch er verstand es, seine Gäste zu bewirten, wenn es darauf ankam, und er leerte seinen Teller mit Hilfe des dankbaren Hundes, der mit wachen Augen unter der Liege ruhte.
Nachdem die schweren Platten abgetragen waren, befahl Julian, die Weinpokale noch einmal zu füllen, und schickte die Diener zu Bett. Erst dann fragte er nach der Stimmung unter den Soldaten.
Gelächter und Gespräche verstummten so schnell, wie Blei im Wasser versinkt. Jeder Offizier blickte seinen Nachbarn an, da er nicht als Erster antworten wollte.
»Es gibt ein Gerücht, wonach die Männer unzufrieden sind«, sagte Julian.
Dagalaif, der stattliche germanische Befehlshaber der Petulantes, stieß ein raues Lachen aus und schlug sich auf den Schenkel. Er gehörte zu Nevittas Freunden. Wie dieser hatte er während des Abends eine reichliche Menge getrunken.
»Unzufrieden!«, rief er und schaute spöttisch in die Runde. Er wollte gerade weitersprechen, als sein Blick auf Nevitta fiel, worauf er sich seine nächsten Worte verkniff. Ich schaute Nevitta an. Sein durchtriebenes Gesicht nahm einen nichtssagenden Ausdruck an. Er mochte derb sein, war aber auch berechnend. Er war kein Mann, der sich als Erster auf dünnes Eis wagt.
Wie weit Dagalaif das wusste, war mir nicht bekannt. Ich vermutete aber, dass er ihn in einem gewissen Maße durchschaut haben musste, denn er fuhr leiser und unsicherer fort: »Ich kann nur für meine eigenen Männer sprechen.«
»Dann sprich«, sagte Julian.
Dagalaif schaute stirnrunzelnd in die Runde und begegnete nur verschlossenen oder abgewandten Gesichtern. Er stellte seinen silbernen Pokal ab und wischte sich mit dem haarigen Unterarm den Mund ab. »Die Stimmung ist schlecht. Wenn du die Wahrheit hören willst: So schlecht gelaunt habe ich die Männer noch nie erlebt. Nicht einmal nach der Schlacht am Mons Seleucus.«
Von den anderen Liegen erklang beipflichtendes Gemurmel. Davon ermutigt, fuhr Dagalaif fort: »Sie sind gute, ehrliche Männer, Cäsar, das Salz der Erde, und sie fürchten keinen Kampf. Das weißt du. Aber es gefällt ihnen nicht, dass sie abbefohlen werden. Ein Versprechen muss man halten.«
Es folgte ein kurzes Schweigen. Dann öffneten sich die Schleusen, und plötzlich redeten alle durcheinander. Die Regimenter beklagten sich ausnahmslos, hieß es. Die Männer fühlten sich behandelt wie Verbrecher, die man aus ihrer Heimat ans Ende der Welt verbannte. Hätten sie dafür ihr Leben im Kampf aufs Spiel gesetzt? Julian sei ihr Befehlshaber, nicht Constantius. Die Männer wollten bei ihm bleiben. Sollte Constantius seine Kriege mit seinen eigenen Legionen führen.
Ich warf Marcellus einen Blick zu. Wie ich hatte er sich beim Wein zurückgehalten, da er geahnt hatte, was kam. Ich dachte im Stillen: Wie gut, dass er die Diener zu Bett geschickt hatte, denn das durfte dem Kaiser nicht zu Ohren kommen.
Eine Weile lamentierten sie. Julian hörte zu, ohne einen Kommentar abzugeben, und blickte von einem Sprecher zum anderen.
Schließlich, nachdem alles gesagt und wiederholt worden war, breitete sich Stille aus, und die Offiziere warteten gespannt, was Julian dazu sagen würde.
Er wolle sie wissen lassen, begann er mit wohlüberlegten Worten, dass der Befehl, nach Osten zu marschieren, nicht seinem Wunsch entspreche. Aber wie sie habe er Befehlen zu gehorchen. Er erzählte ihnen von Constantius’ Forderungen. Er könne nur vermuten, sagte er, dass der Kaiser die Soldaten Galliens
Weitere Kostenlose Bücher