Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Tücher gehüllter Frauen Unterschlupf vor dem Regen. Ich nahm an, sie warteten auf die Markthändler. Als ich den Kopf drehte, sah ich andere, die sich unter dem Portal der Basilika versammelten. Vielleicht lag es auch an ihrem Schweigen oder am stumpfsinnigen Ausdruck ihrer Gesichter, aber das Gespür des Soldaten in mir ließ mich über die Schulter blicken und im Hintergrund der Schenke nach einem zweiten Ausgang suchen.
Dann drang von irgendwoher das gleichmäßige, trommelschlagartige Geräusch marschierender Soldaten heran; ihre Stiefel dröhnten im Gleichschritt auf den Pflastersteinen und hallten durch die Straße. Wir drehten den Kopf zur Nordostseite des Forums, wo sie unter dem Triumphbogen durchkommen würden.
Sintula erschien als Erster, mit geradem Rücken auf einem Apfelschimmel, in seiner besten Uniform und mit gefiedertem Helm, der selbst in der grauen Dämmerung glänzte. Ein paar Schritte hinter ihm folgten die ranghöchsten Männer zu fünft nebeneinander mit ernstem Gesicht, das Marschgepäck auf dem Rücken. Sie bogen in den weiten Platz ein und hielten auf das gegenüberliegende Tor zu, von wo die Straße nach Süden führte.
Zuerst hörte man nur ihre Schritte, hart und kraftvoll, aber auch vertraut. Ich griff nach dem Weinkrug und sagte mir, meine Beklommenheit sei wohl unnötig gewesen. Doch dann erhob sich von überall und nirgendwo – wie ein schauriger Theatereffekt – ein heller Klageschrei, der mir die Nackenhaare aufrichtete und mich von meinem Sitz zog. Ich schaute erstaunt nach allen Seiten. Dann erfasste ich die Ursache.
Scharenweise stürmten Frauen wie Furien aus den Seitengassen und Torwegen, mit wehenden Tüchern und Mänteln, Säuglinge im Arm und kleine Kinder an der Hand. Sie weinten und riefen ihre Männer beim Namen, streckten ihnen die Säuglingsbündel entgegen, beschworen sie, sich ihre Söhne und Töchter anzusehen, die sie nun ihrem Schicksal überlassen würden.
Sintulas Pferd scheute und tänzelte zur Seite. Sintula selbst, aus seiner steinernen Amtsmiene hochgeschreckt, drehte sich im Sattel um. Schrecken stand ihm ins jugendliche Gesicht geschrieben.
Inzwischen hatten die Frauen die Soldatenreihen erreicht und hielten ihren Gatten die Kindchen vors Gesicht. Der Marschschritt geriet ins Stocken. Die Männer begannen die Namen ihrer Frauen und Kinder zu rufen, und die harten Soldatengesichter waren nass von Tränen.
Marcellus blickte mich verblüfft an. In der Tat war es sonderbar zu sehen, wie ein Heer von einer Horde Frauen bestürmt wurde. Die Männer wären wohl dennoch weitermarschiert, hätte sich nicht in dem Augenblick von vorn ein unbehagliches Gemurmel durch die Reihen ausgebreitet. Am gegenüberliegenden Tor hatte sich eine weitere Schar Frauen versammelt, die untergehakt den Durchgang versperrten.
Sintula starrte sie an; dann blickte er sichtlich verwirrt über die Schulter. Die vordersten Reihen begannen sich auszubuchten und aufzubrechen, als der Anblick der menschlichen Barriere die Schritte der Soldaten bremste.
»Bei den Göttern!«, rief Marcellus und sprang von seinem Stuhl auf. »Er sollte befehlen anzuhalten!«
Ich sagte nichts. Ich beobachtete Sintulas Gesicht, während er den Preis seiner Würde abwog.
Sein Mund wurde zu einer harten Linie. Voraus standen die entschlossenen Frauen, grimmige, rothaarige Gallierinnen in eisernem Schweigen.
»Macht Platz!«, brüllte Sintula.
Sie blickten ihn nur zornig an. Schon schlossen sich ihnen andere an, die von hinten herbeirannten, und bildeten eine unnachgiebige Barriere aus Menschenfleisch.
Sintulas Pferd schüttelte den Kopf und riss am Zügel. Verärgert drängte er das Tier voran, doch es widersetzte sich wiehernd. Er stieß einen lauten Fluch aus. Das Tier ging ein paar Schritte und scheute erneut. Und dann wurde Sintula plötzlich still.
Einen Moment lang starrte er nach vorn, die Zähne zusammengebissen. Dann, mit einer heftigen Armbewegung, gab er das Zeichen zum Halt. Ringsum begannen die Frauen zu jubeln und zu schreien; sie stürmten vor, scharten sich um sein Pferd und drängten zwischen die halb aufgelösten Reihen ihrer weinenden Männer.
Die Neuigkeit gelangte in Windeseile in die Zitadelle. Als wir am Tor ankamen, fragte der Wachsoldat mit leuchtenden Augen, ob es wahr sei, dass Sintula von einer Horde Weiber in die Flucht geschlagen worden war.
Auf dem Weg durch die Kolonnade zum Innenhof begegneten wir Oribasius.
»Ihr habt es gehört, nehme ich an?«, fragte
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