Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
griff nach Gürtel und Schwert. Marcellus stieß die Fensterläden auf und lehnte sich hinaus. Von jenseits des Tores waren Männerstimmen zu hören. Wenigstens ist es diesmal kein Aufruhr, dachte ich, während ich mir den Gürtel umschnallte.
Julian hatte sich wieder in den Audienzsaal begeben und war diesmal auf sie vorbereitet. Er saß auf dem Podest in einem Lehnstuhl, der mit weißem Leinen bezogen war, und trug seinen Purpurmantel. Oribasius und Eutherius standen neben ihm. Helles Tageslicht strömte durch die Fensterrose hinter ihm und fiel in staubdurchsetzten Strahlen auf den Steinboden.
Vor ihm stand eine Abordnung der Soldaten; es waren über zwanzig Mann. Julian sagte soeben, dass sie nichts zu befürchten hätten und dass er selbst wohlauf und nicht in Gefahr sei.Sie hörten ernst zu, nickten und waren von den Herrschaftsinsignien offenbar eingeschüchtert.
Später erfuhr ich, was sich zugetragen hatte.
Während Julian schlief, hatte Decentius, anstatt die Soldaten nüchtern werden und zur Vernunft kommen zu lassen, den Versuch unternommen, die Unteroffiziere der Petulantes zu bestechen, damit sie in die unbewachte Zitadelle eindringen und Julian als Verräter festnehmen. Wie schon zuvor hatte er sich verrechnet, da er nicht begriff, dass es nicht Gold war, was die Männer antrieb, sondern Ehre, Furcht und verletzter Stolz. Sie waren nicht von Julian gekauft worden und ließen sich auch jetzt nicht kaufen.
Decentius’ Vorgehen hatte sich schnell herumgesprochen, sodass es im Lager hieß, Julian sei in Gefahr oder gar verhaftet worden und stünde kurz vor der Hinrichtung. Daraufhin waren die Männer in die Zitadelle gestürmt. Sie würden nicht eher wieder abrücken, hatten sie gesagt, als bis sie Julian mit eigenen Augen gesehen und von ihm selbst gehört hätten, dass er sicher war.
Danach wurde Decentius zum Cäsar befohlen, war aber nicht auffindbar. Nachdem er sich ertappt gesehen hatte, war er wohl untergetaucht. Aber Paris ist ziemlich klein, und Decentius war als Spion des Kaisers verhasst, sodass er nicht lange unentdeckt blieb. Innerhalb von Stunden wurde er in den Palast zurückgebracht.
»Was willst du mit ihm machen?«, fragte Nebridius.
»Mit ihm machen? Nichts. Ich könnte mir vorstellen, dass die Männer, die ihn fanden, ihn schon reichlich in Angst versetzt haben. Er hat Glück, dass er nicht mit durchgeschnittener Kehle im Fluss gelandet ist.«
»Und jetzt?«
»Er darf abreisen, wenn er will. Wir brauchen ihn hier nicht.«
Bald darauf kamen die Soldaten der Palastgarde zurück, die mit Sintula und ihren Frauen nach Osten gezogen waren. In ihrer Niedergeschlagenheit waren sie auf ihrem Marsch nochnicht weit gekommen, und sowie sie die Neuigkeiten aus Paris hörten, eilten sie zurück – auch Sintula, was ihm zur Ehre gereichte, denn er hätte leicht fliehen können.
Als halbwegs Ruhe eingekehrt war, befahl Julian, die Soldaten antreten zu lassen.
Er ritt aufs freie Feld vor der Stadt, wo die verschiedenen Einheiten lagerten, und unter quellenden Wolken und flüchtiger Frühlingssonne sprach er zu ihnen und führte ihnen vor Augen, was sie gemeinsam durchgestanden hatten. Nun hoffe er, sie würden in der Zeit seiner Bedrängnis zu ihm halten.
Der Jubel war laut und lang anhaltend. Die Männer hoben die Arme zum Gruß und schlugen mit den Speeren auf ihre glänzenden Schilde, dass es wie Donner durch die Reihen rollte. Sie waren bereit, Julians Befehlen zu folgen.
Später hielt er ein Gastmahl für seine Freunde ab. Vor uns bekannte er, was er insgeheim fürchtete. Seine Stellung in Gallien sei sicher, erklärte er, aber nur, weil der Kaiser an den Ostgrenzen mit den Persern beschäftigt sei. »Constantius muss begreiflich gemacht werden, dass die Akklamation nicht von mir ausging; ich fordere ihn nicht heraus. Die Männer waren nicht willens, Heimat und Familie zu verlassen. Das ist alles. Es ist kein Aufstand gegen ihn.«
»Constantius wird anderer Ansicht sein«, sagte Eutherius. »Schon jetzt glaubt er überall Verräter zu sehen, und Decentius wird sich auf deine Kosten verteidigen, sobald er am Hofe angelangt ist. Desgleichen Florentius. Wir haben bereits gesehen, wie sie sich verhalten.«
Julian überlegte. Am Tag vorher war ein Bote eingetroffen mit der Neuigkeit, dass Florentius von Vienne geflohen war und in seiner Hast Frau und Kinder zurückgelassen hatte. Julian hatte Befehl gegeben, sie und ihre Habe sicher in den Osten zu bringen; Constantius hätte sie
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