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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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Marcellus war schon vor einer Weile still geworden, und ich wusste, dass er Vermutungen anstellte, was er wohl vorfinden würde.
    Am Grenzstein des Familienbesitzes zügelte er sein Pferd und schaute düster auf die überwucherten Felder.
    »Niemand bestellt das Land«, sagte er.
    Ich zeigte auf die Furchen in dem von Brombeeren gesäumten Weg. »Aber hier sind Wagen entlanggefahren.«
    Er nickte.
    Bevor wir von London aufgebrochen waren, hatten wir Alypius gefragt, ob er etwas über Marcellus’ Familie wisse. Doch er war noch nicht sehr lange in London und konnte keine Auskunft geben. In dem Durcheinander, das der Notar Paulus und der Bischof verursacht hatten, war sogar das Archiv der Provinz geplündert worden, sodass die Eigentumsverhältnisse unklar waren, und viele Menschen waren unter dem Schutz tyrannischer Gesetze beraubt und getötet worden.
    Als wir nun über die brachliegenden Felder schauten, dachte ich an mein verwüstetes Vaterhaus und stellte mir allerhand schreckliche Dinge vor. Doch es hatte keinen Sinn, Marcellus mit solchen Gedanken zu belasten. Wir sollten es bald genug mit eigenen Augen sehen.
    Wir ritten weiter. Auf der nächsten Anhöhe hielten wir und stiegen ab, um über das grüne Tal zu spähen. Ich stellte mich neben Marcellus, beschirmte die Augen gegen den glühenden Sonnenuntergang und rechnete beinahe damit, rußgeschwärzte Mauern zu sehen, wo einst das prächtige Haus gestanden hatte. Doch es sah noch genauso aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Goldgelb und ockerfarben leuchtete es durch die Ulmen und Pappeln. Hinter der Umfassungsmauer blühten die Obstbäume, neben dem Haus die Mandelbäume.
    »Sieh mal!« Marcellus streckte den Arm aus. Zwischen den Nebengebäuden bewegten sich zwei unscharfe Silhouetten im Gegenlicht.
    Wir trieben unsere Pferde an und ritten ins Tal hinunter. Kurz blieben wir bei der Gruft stehen, wo Marcellus’ Großvater begraben lag. Auch sie sah vernachlässigt aus: überall hohes Gras und dichter Efeu. Doch das Mauerwerk war unversehrt. Ich hatte befürchtet, die Gruft geschändet und Aquinus’ Gebeine verstreut vorzufinden.
    Das schwere Eichentor in der Umfassungsmauer stand offen, aber im Hof war niemand. Wir gingen den Weg entlang und führten die Pferde am Zügel. Die ordentlichen, streng gegliederten Gärten waren verschwunden. Der Boden war umgegraben, und zwischen den schönen ornamentalen Hecken waren Zwiebeln, Bohnen und Pastinaken gepflanzt wie im Küchengarten eines Bauern.
    Beim Anblick dieser Zeichen des Niedergangs machte Marcellus ein düsteres Gesicht. Er drehte sich nach allen Seiten undrief. Es kam keine Antwort. Wir gingen weiter. Doch dann hielt er inne. »Horch, Drusus! Was für ein Geräusch ist das?«
    Ich lauschte. Jenseits der Mauer knackte es in den hohen Zweigen der Pappeln. Dann hörte ich gedämpfte Klettergeräusche vom Stall her. Ich griff zum Schwert und spähte an dem weiß getünchten langen Bau mit den schattigen Torbögen entlang. Dann, so plötzlich, dass ich erschrak, stieß Marcellus einen Schrei aus und wollte loslaufen. »Ufa!«, rief er, als sein grauer Wolfshund durch die Gemüsebeete angesprungen kam.
    Ich riss Marcellus am Arm zurück, denn ich hatte dunkle Gestalten in den Stalleingängen wahrgenommen.
    »Wer sind diese Leute?«, fragte ich. Mehrere Männer in schlichten braunen Tuniken traten nacheinander ins Abendlicht hinaus. Unter ihnen sah ich den alten Tyronius und andere, die ich von früher kannte.
    »Marcellus? Bist du das?«, fragte der alte Mann und blinzelte gegen die Sonne. »Wir haben euch für Soldaten des Kaisers gehalten.« Dann umringten sie uns – Männer, die Marcellus seit seiner Geburt kannten –, klopften uns auf die Schulter und lachten vor Freude.
    Bis Marcellus plötzlich aufblickte und schlagartig ernst wurde. Ich schaute in seine Blickrichtung.
    Jenseits der verdorbenen Gärten, auf dem Absatz der weit geschwungenen Steintreppe vor dem Haus, stand eine Frau abwartend im tiefen Schatten unter dem Portikus. Es war seine Mutter.
    »Tertius, behalte Ufa hier«, sagte Marcellus zu einem der jungen Knechte. Und dann zu mir: »Ich hätte es mir denken können. Sie hat gewartet.«
    »Geh zu ihr. Ich bleibe hier«, bot ich an.
    »Nein, Drusus, komm mit. Du gehörst zu mir.«
    Ich holte tief Luft und ging an seiner Seite.
    Der Brunnen mit den Bronzedelfinen vor dem Haus war ohne Wasser. Das runde Becken, wo Marcellus und ich einstnebeneinander auf dem breiten Marmorrand gelegen und den

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