Wen die Goetter strafen
Nervenzusammenbruch.«
»Seine Tochter ist verschwunden? Wie meinst du das? Wurde sie entführt?«
»Nein. Sie ist einfach irgendwie«– er versuchte vergeblich, das richtige Wort zu finden –»verschwunden. Niemand weiß, was aus ihr geworden ist.« Er seufzte. »Pia war eine Schönheit, das kann ich dir sagen.«
»Wo hält sich Mancinos Frau auf?«
»Es geht das Gerücht, dass sie sich in einem Sanatorium befindet.«
»Weißt du, wo?«
»Nein. Und dich sollte es besser auch nicht interessieren.« Ihr Kellner kam an den Tisch. »Ich kenne dieses Restaurant«, sagte Dominick Romano. »Soll ich für dich mitbestellen?«
»Gern.«
»Bene.«
Er wandte sich an den Kellner.
»Primo, pasta e fagioli. Dopo, abbacchio arrosto con polenta.«
»Grazie.«
Das Essen war hervorragend, und während sie es genossen, plauderten sie locker und zwanglos miteinander. Doch als sie aufstanden und gehen wollten, sagte Romano: »Dana, halte dich von Mancino fern. Er ist nicht der Mann, dem man Fragen stellt.«
»Aber wenn er –«
»Vergiss ihn. Ich sage nur ein Wort –
omertà
.«
»Vielen Dank, Dominick. Ich weiß deinen Rat zu schätzen.«
Vincente Mancinos Büroräume befanden sich in einem modernen Gebäude an der Via Sardegna, das ihm gehörte. Ein stämmiger Wachmann saß an der Rezeption in dem marmorgetäfelten Foyer.
Er blickte auf, als Dana eintrat.
»Buon giorno. Posso aiutarla, signorina?«
»Mein Name ist Dana Evans. Ich möchte Signor Vincente Mancino sprechen.«
»Haben Sie einen Termin?«
»Nein.«
»Dann tut es mir Leid.«
»Sagen Sie ihm, es geht um Taylor Winthrop.«
Der Wachmann musterte Dana einen Moment lang, dann griff er zum Telefon und sagte etwas. Er legte den Hörer auf. Dana wartete.
Was, in aller Welt, werde ich herausfinden?
Das Telefon klingelte, worauf der Wachmann den Hörer abnahm und einen Moment lang lauschte. Er wandte sich an Dana. »Zweiter Stock. Dort wird Sie jemand abholen.«
»Vielen Dank.«
»
Prego.
«
Vincente Mancinos Büro war klein und unscheinbar, ganz und gar nicht das, was Dana erwartet hatte. Mancino saß an einem alten, zerschrammten Schreibtisch. Er war um die sechzig, mittelgroß, mit breiter Brust, schmalen Lippen, weißem Haar und einer Hakennase. Er hatte die kältesten Augen, die Dana je gesehen hatte. Auf dem Schreibtisch stand in einem Goldrahmen ein Foto von einem bildschönen Teenager.
»Sie kommen also wegen Taylor Winthrop?«, fragte Mancino, als Dana eintrat. Er sprach mit tiefer, schnarrender Stimme.
»Ja. Ich wollte mit Ihnen darüber reden, was –«
»Da gibt es nichts zu bereden,
signorina
. Er ist bei einem Brand umgekommen. Er schmort in der Hölle, und seine Frau und seine Kinder schmoren ebenfalls in der Hölle.«
»Darf ich mich hinsetzen, Mr. Mancino?«
Er holte zu einem barschen Nein aus, sagte dann jedoch: »
Scusi.
Wenn ich mich aufrege, vergesse ich manchmal meine Manieren.
Prego, si accomodi.
Bitte nehmen Sie Platz.«
Dana ließ sich auf einem Sessel ihm gegenüber nieder. »Sie und Taylor Winthrop haben ein Wirtschaftsabkommen zwischen Ihren Regierungen ausgehandelt.«
»Ja.«
»Und Sie haben sich miteinander angefreundet?«
»Eine Zeit lang,
forse
.«
Dana warf einen Blick auf das Foto am Schreibtisch. »Ist das Ihre Tochter?«
Er antwortete nicht.
»Sie ist bildschön.«
»Ja, sie war sehr schön.«
Dana blickte ihn verdutzt an. »Lebt sie nicht mehr?« Sie sah, wie er sie musterte, sich überlegte, ob er mit ihr reden sollte.
»Ob sie noch lebt?«, sagte er, als er schließlich das Wort ergriff. »Wer weiß.« Er klang mit einem Mal leidgeprüft. »Ich habe ihren amerikanischen Freund, diesen Taylor Winthrop, in mein Haus eingeladen. Er hat bei uns gegessen. Ich habe ihn meinen Freunden vorgestellt. Wissen Sie, wie er es mir vergolten hat? Er hat meine wunderschöne, jungfräuliche Tochter geschwängert.
Sie war sechzehn Jahre alt.
Sie hatte Angst, es mir zu beichten, weil sie wusste, dass ich ihn töten würde, daher... ließ sie sich auf eine
Abtreibung
ein.« Er stieß das Wort aus wie einen Fluch. »Winthrop hatte Angst, dass es bekannt werden könnte, deshalb schickte er Pia nicht zu einem Arzt. Nein. Er... er schickte sie zu einem Metzger.« Tränen traten ihm in die Augen. »Einem Metzger, der ihr die Gebärmutter herausgerissen hat. Meine sechzehnjährige Tochter,
signorina
...« Mit erstickter Stimme fuhr er fort. »Taylor Winthrop hat nicht nur das Leben meiner Tochter zerstört, er hat auch meine
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