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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus geschliffenen Steinblöcken Göttersymbole hängen, aus Gold getrieben. Ein Bild kehrte immer wieder: ein Menschenkörper, auf dessen Schultern ein dem Adlerkopf nachgebildetes Haupt ruhte. Der wilde Vogelkopf hatte den scharfen gebogenen Schnabel geöffnet, und dieser hielt ein Gebilde fest, das wie eine Wolke aussah.
    Stricker nagte an der Unterlippe. »Es gehört wenig Fantasie dazu, darin einen Regengott zu erkennen«, sagte er rauh. »Regen! Natürlich, das ist für sie hier das Wichtigste. Regen und Wärme, denn dann wächst alles auf den Terrassenfeldern. Ohne Regen käme es zur Katastrophe.« Er schwieg plötzlich, weil er an die furchtbaren Menschenopfer denken mußte, die vor Zeiten die Mayas und Inkas gerade dem Regengott dargebracht hatten. Es war schon viel darüber geschrieben worden, daß man bei Ausgrabungen unterhalb der Tempel breite Gruben voll von Gerippen gefunden hatte.
    »Die Königin und Göttin Sikinika«, sagte Dombono feierlich. Er teilte einen schweren, golddurchwirkten Vorhang und ließ die Gefangenen eintreten. Eine gewölbte Halle empfing sie, fensterlos, nur erhellt von vielen Fackeln, deren flackernder Schein sich in den goldbelegten Wänden brach. Das alles blendete ungemein. Stricker legte die Hand über die Augen, Löhres und Heimbach kniffen die Lider zu.
    »Da sitzt sie«, flüsterte Veronika zitternd. »Da! Direkt vor uns, fünf Stufen höher …«
    Jetzt hatte auch Stricker sie erblickt. Jeder Ton blieb ihm im Halse stecken.
    Das war das alte Ägypten, das war der Thron der Pharaonen, und die schlanke Frau, die dort saß, unbeweglich, mit einem hellbraunen, starren Gesicht, aus dem nur die dunklen kalten Augen sprachen: Es war die Verkörperung eines Gottkönigtums, wie es in dieser Vollendung nur am Nil, vor viertausend Jahren, möglich gewesen war.
    Das Alter der Frau war nicht zu bestimmen, auch ihre Haarfarbe nicht. Sie trug um den schmalen Kopf einen dichtgewebten goldenen Schleier, der nur das Gesicht freigab, ähnlich wie bei einer Nonne.
    Dombono war zurückgeblieben. Er sagte etwas in einer klangvollen Sprache, dann gab er Stricker einen Stoß in den Rücken, so daß dieser das Gleichgewicht verlor. Stricker taumelte ein paar Schritte, fing sich dann aber wieder und blieb vor den fünf Stufen zum Thron stehen. Hinter sich hörte er Albert Heimbach leise jammern.
    »Ich wollte euch nur sehen«, sagte Sikinika plötzlich. Ihre helle, mädchenhafte Stimme war der denkbar größte Kontrast zu dem feierlichen Prunk um sie her. Aber diese Stimme war kalt – sie klang, als schlage man mit einem Hammer auf Metall. Stricker zuckte unwillkürlich zusammen. Sie hat Französisch gesprochen, durchfuhr es ihn. Es wird immer verrückter. Eine Göttin, die Französisch spricht! Das verwirrte ihn völlig, und statt zu antworten, nickte er bloß.
    »Es hat seit drei Monaten nicht mehr geregnet«, sagte Sikinika langsam, und jedes Wort war wie ein Stück Eis, das über nackte Haut rollt. »Die Felder verdorren, die Menschen hungern. Die Götter müssen versöhnt werden durch ein außergewöhnliches Opfer. Zehn Jungfrauen haben sie schon angenommen. Aber sie schweigen noch immer. Euer Tod wird sie versöhnen. Der große Regen wird kommen und Urapa retten.«
    Stricker schluckte, die Kehle krampfte sich ihm zusammen. Hinter sich spürte er den Atem des keuchenden Löhres.
    »Wat sacht sie?« flüsterte dieser dem Doktor zu.
    »Wir sollen getötet werden.«
    »Dafür hann isch die dreitausend Mark äwwer nich bezahlt …«
    »Verdammt – es wird ernst jetzt!« Stricker starrte die Gottkönigin an. Sie blickte über ihn hinweg. Eine herrliche, faszinierende Gestalt, ein lebendes Götterbild, unnahbar für alles Irdische.
    »Wann?« würgte Paul Stricker hervor. Er mußte etwas sagen, und wenn es das Dümmste war. Mit dieser Frau ums Leben zu schachern war sinnlos.
    »Der Gott wird sprechen.« Wieder die helle, kalte Stimme.
    Stricker nahm all seine Kraft zusammen. »Das ist Mord!« rief er.
    »Ein Götteropfer ist nie ein Mord! Warum seid ihr nicht glücklich, Urapa retten zu dürfen?«
    »Das ist wohl ein bißchen viel verlangt. Außerdem wird man uns suchen und dann Urapa endlich entdecken.«
    »Niemand vermißt euch!« Sikinika blickte starr über Stricker hinweg. »Und niemand wird Urapa betreten, der nicht hier geboren ist. Sie suchen euch nicht mehr. Die Riesenlibellen sind vom Himmel verschwunden. Die Götter haben euch auserwählt …«
    Sie gab Dombono ein Zeichen. Dieser

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