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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schimmerten weißlich in dem phantastischen Licht.
    »Ihr Sohn …«, wiederholte Stricker mit trockener Kehle. Er begriff plötzlich die Zusammenhänge, an deren Sinn er immer wieder herumgerätselt hatte. Ein Opfer für den Regengott – das war nur ein Vorwand gewesen, die Flucht in eine glaubwürdige religiöse Lüge. Die Wahrheit lag hier vor ihm unter einer goldenen Decke: der kranke Sohn einer Göttin, die jetzt nichts anderes war als Millionen Frauen, die um ihr Kind bangen; eine Mutter, die Hilfe sucht. Aber es mußte eine heimliche Hilfe sein, denn wenn ein Gott sich nicht selbst helfen kann, was bleibt dann noch von seiner Göttlichkeit? Es war die unfaßbare Tragik eines Menschen, der verurteilt war, alles zu können.
    »Mein einziges Kind«, sagte sie. Ihre metallene Stimme bekam einen dunklen Unterton.
    Dombono trat ans Bett und schlug die Decke zurück. Ein Knabenkörper wurde frei, nackt, mit einer hellen, für Urapa ungewöhnlichen Hautfarbe. Fast ein weißer Körper, gebräunt nur, als habe er in der Sonne gelegen. Die Brust atmete ruhig, die Arme lagen an den Seiten, der goldene Schleier blieb über dem Kopf liegen. Ob er durch das Goldgewebe den weißen Arzt sehen konnte, blieb ungewiß, er rührte sich jedenfalls nicht und zeigte keinen Reflex, als Paul Stricker sich dem Bett näherte.
    »Erzählen Sie mir die Vorgeschichte«, sagte dieser ruhig. »Wie alt ist der Junge?«
    »Fünfzehn Winter.« Dombono trat an die andere Seite des Bettes. »Und seine Krankheit ist zwei Winter alt.«
    Der Weg wurde immer schlechter, steiniger und schließlich so mit Geröll übersät, daß Alex Huber den alten Jeep anhielt und ausstieg. Das Mondgebirge ragte vor ihm auf wie ein riesiger Klotz, der Erde und Himmel miteinander verband.
    Hier ging es mit dem Wagen nicht mehr weiter. Der Pfad verlor sich zwischen den Felsen – ein Weg, der direkt in den Höllenschlund führen mußte.
    Alex Huber nahm vom Nebensitz seine starke Taschenlampe und leuchtete den Pfad ab. Was er suchte, konnte er nicht erklären; es drängte ihn einfach, den Weg weiterzugehen, Meter für Meter, und Geröll mit seiner Lampe abzutasten.
    »Sie müssen hier entlanggegangen sein«, sagte er zu sich selbst. »Es gibt nur diese eine Möglichkeit.« Er kniete auf dem Weg nieder, untersuchte die Steine und leuchtete vor allem die größeren Felsblöcke ab, die diesen Pfad unpassierbar machten.
    Nach etwa vier Metern legte er die Taschenlampe weg. Er hatte einen großen Stein entdeckt, an dem so etwas wie eine Schleifspur zu erkennen war – der Abdruck eines eisernen Reifens, wenn er abrutscht und schwarze Striche hinterläßt.
    Huber tastete mit den Fingerspitzen über die Spur. Er fühlte die Kratzer, legte den Stein wie etwas sehr Wertvolles an den Fundort zurück und wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht.
    »Hier sind Menschen mit einem Karren gefahren«, sagte er leise und knipste die Taschenlampe aus. Die fahle Nacht schien sich plötzlich aufzuhellen, aber nun war sie auch voll tödlicher Gefahr. »Dort hinten, irgendwo, gibt es Menschen!«
    Er stand auf, lief zu seinem Jeep zurück und begann, sich auf den Marsch in das gefährliche Geheimnis vorzubereiten.

7
    Was Alex Huber mitnehmen konnte, war wenig und mußte genau ausgesucht werden. Es durfte ihn nicht belasten und ihm zugleich alle Möglichkeiten lassen, sich in jeder Situation durchzuschlagen.
    Gewehr und Pistole, dachte er, sie müssen sein; dann die große lederne Umhängetasche mit den Medikamenten und dem chirurgischen Besteck; ein kleiner Stoffbeutel mit etwas Brot, eine Feldflasche für Wasser, ein Messer, ein paar Konserven, Feuerzeug, ein zusammenklappbarer Spaten, an den Gürtel gehängt, ein kleines Beil – das ist genug, eigentlich schon zuviel für den Weg, der vor einem liegt.
    Er blickte den Pfad hinunter, der zwischen den schwarzen, bizarren Felsen verschwand. Ein Gefühl des Unheimlichen überkam ihn.
    Warum haben sie Veronika und ihre Begleiter verschleppt? dachte er. Werden sie einmal als Geiseln Nachricht geben, um mit dem Einsatz ihres Lebens einer noch unbekannten politischen Gruppe die Erfüllung ihrer Forderungen zu garantieren? Oder hat man sie einfach weggeschleppt, weil sie Weiße sind? Wiederholen sich die Grausamkeiten, die man in Afrika bereits überwunden glaubte? Quält und tötet der Mensch einen anderen wieder wegen seiner Hautfarbe? Lernt der Mensch nie aus?
    Alex warf die Arzttasche über seine Schulter und band den Autoschlüssel an

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