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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein dünnes Lederband, das er mit einem goldenen Amulett auf der nackten Brust trug: ein Geschenk Veronikas. ›Ich vergesse dich nie‹, hatte sie auf die Rückseite des Amuletts eingravieren lassen. Es hatte die Form einer offenen Hand … Symbol des Gebens, des immerwährenden Schenkens.
    Das Gewehr unter die rechte Achsel geklemmt, überflog er in Gedanken noch einmal alles, was er mitgenommen hatte, dann klopfte er auf den Kühler des Jeeps, sagte »Auf Wiedersehen, Opa!« und ging langsam den Pfad weiter, hinein in die Mondberge, wo nach den Sagen der TOROS der Sitz der Götter ist.
    Er stieg vier Stunden stetig aufwärts. Der Weg war nicht steil, aber in seiner fortgesetzten Steigung ermüdend. Er änderte sich nie. Er blieb so breit, daß ein Karren gerade noch zwischen die Felswände paßte, und er schlängelte sich in weit schwingenden Serpentinen empor. Alex bewunderte die Menschen, die diesen Pfad geschaffen hatten, von dem keine Karte berichtete, nicht einmal die Stabskarte im Hauptquartier von General Bikene. Diese Karte zeigte dort, wo er jetzt emporstieg, einen leeren Fleck: unbegehbarer Fels, Urland, Wildnis; einen kleinen Teil jener Welt, die der Mensch umging oder nur überflog.
    Nach etwa sechs Stunden – Alex hatte eine Stunde Rast eingelegt und sah mit gemischten Gefühlen zu, wie der Nachthimmel im Osten streifig wurde, das Dunkel sich auflöste und sich plötzlich rote Fäden dazwischen woben – erreichte er eine Stelle, wo die Felsenschlucht plötzlich breiter wurde und der Pfad fast frei war von Geröll. Und beim ersten Tageslicht, bei einem jener unbeschreiblichen Sonnenaufgänge über Afrika, vor dessen Schönheit einem das Herz stockt, weil man's nicht fassen kann, wie diese grandiose Natur erwacht und aufatmet – in diesem Augenblick erlebte er noch ein Wunder: eine Straße!
    Eine wirkliche Straße mit einer glatten, gewalzten, festen Decke, über die man mit einem Luxusauto hätte fahren können!
    Eine Straße mitten in der Felsenwildnis, gute viertausend Meter hoch. Alex Huber lehnte sich gegen die glatte Felswand und drückte beide Hände auf die Augen. Ich träume, dachte er. Ich habe Halluzinationen. Ich bin zu schnell und zu steil aufgestiegen, das Blut kocht in meinem Gehirn. Ich habe einen Höhenkoller.
    Eine breite schöne Straße, beginnend im Nichts und endend im Nichts! Es muß eine Halluzination sein! Aber die Straße blieb, als er die Hände wieder sinken ließ. Die jetzt weißliche Morgensonne spiegelte Reflexe auf die feste Straßendecke, sie glitzerte sogar in unzähligen Kristallen, die sich wie Adern durch die festgewalzten Steine zogen, und das schnell vergehende Rot des Morgens, das der blaue Himmel allzu gierig aufsaugte, lag einen Augenblick wie ein Samtmantel über den schroffen Felsen.
    »Unglaublich!« sagte Alex Huber heiser. »Das ist unbegreiflich!« Dann wurde er sich erst der Gefahr bewußt, in der er sich befand. Er sprang von der Straße in die zerklüfteten Felsen hinein und hielt den Atem an. Die Morgenstille war vollkommen, der Wind schlief noch, und nicht ein einziger Tierlaut unterbrach das große, sonnendurchglänzte Schweigen.
    Das Mondgebirge. Es kann keinen besseren Namen dafür geben. Aber dann, die Stille zerreißend, obgleich es ein sanfter, voller, geradezu wohllautender Ton war, erklang irgendwo in diesen Felsen ein Gong. Es mußte ein Gong sein, ein großer, in seinem Ertönen schwingender Gong; und dann antwortete ein zweiter Gong, ein dritter fiel ein, ein vierter – aus allen vier Winden begrüßte man die Sonne, die jetzt strahlend die Nacht besiegt hatte.
    Alex blieb in den Felsen stehen und wartete. Das Konzert war kurz; es verstummte so geheimnisvoll, wie es begonnen hatte, nur in der sich schnell erwärmenden Luft blieb noch eine Weile der satte Ton hängen und fing sich in den bizarren Bergen.
    Ich bin auf der richtigen Spur, dachte Alex Huber. Ich bin in ein Land gekommen, das noch keiner kennt. Und plötzlich hatte er wahnsinnige Angst um Veronika – eine unerklärbare Angst, die nichts mehr mit der bisherigen Sorge um ihr Leben zu tun hatte. Hier war das Tor zu einem Geheimnis, aber die Chancen einer Rückkehr waren gleich Null.
    Er wartete noch ein paar Minuten und schlich dann weiter, immer seitlich der Straße, von Deckung zu Deckung huschend. Als er von weitem einen neuen, unerklärbaren Laut hörte, warf er sich auf den Boden und suchte Schutz hinter einem Felsvorsprung.
    Der Klang kam näher, verdichtete sich, wurde

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