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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich.
    »Er wird wahnsinnig!« rief Paul Stricker zu Veronika hinüber. Sie hingen nebeneinander auf Rufweite. Veronika preßte das Gesicht gegen die Eisenstäbe und starrte hinunter auf die phantastische Stadt, die so klein wirkte, wie ein Anschauungsmodell.
    »Man muß hier ja wahnsinnig werden!« schrie sie zurück.
    Peter Löhres hatte jetzt allen Humor verloren. Er rannte in seinem Käfig hin und her, zwei Meter hin, zwei zurück, bis der Käfig so stark zu pendeln begann, daß er sich festklammern mußte. »Hilfe!« schrie er. »Hilfe! Ihr könnt mich doch nicht umbringen! Ihr könnt doch nicht einfach …« Doch sein Schreien war sinnlos.
    Dann brach er zusammen, drückte den Kopf gegen die Eisengitter und begann jämmerlich zu weinen.
    Unter ihnen floß das Leben in Urapa weiter, als gäbe es diese Käfige an der riesigen Tempelmauer überhaupt nicht. Niemand blickte hinauf, keiner blieb stehen oder zögerte auch nur beim Vorbeigehen. Nur die zehn Soldaten, die unter der Mauer Wache hielten, demonstrierten die Wichtigkeit dieser schwebenden Gefängnisse.
    Über ihnen stieg Rauch in die Luft. Die Priester opferten den Nachtgöttern. Sie hörten eintönige Gesänge und rhythmisches Händeklatschen. Der Abend fiel in den Felskessel, es wurde kälter, und die Stadt versank in schwarze Schatten.
    »Ich fange gleich an zu schreien«, rief Veronika zu Paul Stricker hinüber. »Ich kann nichts dafür. Ich kann es nicht mehr zurückhalten. Ich muß schreien …«
    »Dann schreien Sie!« Stricker umklammerte die Gitterstäbe. Auch sein Herz zuckte wie wild, die Nerven flimmerten im ganzen Körper. Er wartete auf den Moment, da auch er zusammenbrach. Das kann kein Mensch aushalten, dachte er. Nein, das kann kein Mensch!
    Er schloß die Augen und fiel in die Knie. So sah er nicht, wie man eine lange Leiter vom oberen Mauerrand wieder zu seinem Käfig emporzog.

6
    Das Knirschen der Gittertürangeln ließ Paul Stricker mit einem Schlag hochfahren. Ein Soldat in schwarzer Lederuniform stand auf der obersten Leitersprosse. Er hatte die Käfigtür aufgeschlossen, winkte stumm und zeigte dann auf die Leiter. Stricker begriff sofort.
    Mitkommen!
    Er atmete tief durch und schloß die Augen. Oben auf dem Opferstein des Tempels qualmten noch immer die Rauchopfer, und es ertönte der rhythmische Gesang der Priester. Die Nacht war jetzt undurchdringlich. Die Stadt unter ihnen schlief, nur vereinzelte Lichter schimmerten aus der schwarzen Tiefe. Der Soldat auf der Leiter trug in einer Hand eine Öllampe – ein merkwürdiges Gebilde aus Bronze, auf dem eine geschliffene Glaskugel saß, worin sich die Ölflamme zu einem starken Licht konzentrierte.
    Es wird der letzte Gang sein, dachte Paul Stricker. Ein Gefühl grenzenloser Verlassenheit überfiel ihn. Angst oder den Willen zu einer sinnlosen Gegenwehr fühlte er nicht, nur Leere war plötzlich in ihm, so, als habe er bereits seinen Körper verlassen, als blicke er nun ohne menschliche Regung auf das Geschehen um sich.
    Er nickte, wischte sich über die Stirn und machte einen kleinen Schritt zu der offenen Tür. Veronikas Stimme hielt ihn zurück. Sie traf ihn wie ein Faustschlag und ließ ihn in die Wirklichkeit zurückkehren.
    »Gehen Sie nicht, Paul …«, rief sie. Ihre Stimme zerbrach fast vor Angst. »Bleiben Sie bei uns! Sie dürfen uns jetzt nicht allein lassen …«
    Stricker drückte die Stirn gegen die kalten Gitterstäbe seines Käfigs. »Ich glaube, daß es hier keine Chance gibt, Veronika!« sagte er rauh.
    »Bleiben Sie, bitte!«
    »Keiner kann Sie zwingen, aus dem Käfig zu gehen!« schrie Heimbach von der anderen Seite.
    »Sie werden mich umbringen!«
    »Un wat wollen se jetzt?« brüllte Löhres. »Skat spüle? Sie sollen jeopfert werden, Doktor!«
    »Das ist mir klar.« Paul Stricker blickte den Soldaten an. Er winkte wieder, diesmal sehr energisch. Von unten, vom Fuß der hohen Mauer, ertönten unverständliche Rufe. Man wurde ungeduldig.
    »Ich möchte Ihnen den Anblick ersparen, daß man mich hier tötet«, sagte Stricker heiser. »Veronika, ein Wort zum Abschied: Ich bitte Sie um Verzeihung.«
    »Wozu?« Ihre Stimme zitterte.
    »Ich habe Sie überredet, diese unplanmäßige Safari mitzumachen.«
    »Wer konnte diesen Ausgang ahnen?« Sie schluckte, als hätten sich von ihrem Hals gerade die Hände entfernt, die sie erwürgen wollten.
    »Sie werden leben, das haben Sie gehört. Die Götter hier verlangen nur Jungfrauenblut.«
    »Bleiben Sie hier!« schrie

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