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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Leben mit Ihrem Leben verbunden. Ob wir also operieren und verlieren dieses Vabanque-Spiel oder ob wir abwarten, bis der Prinz stirbt, wir sind nicht mehr zu retten, Sie und ich. Hier kann nur ein wirklicher Chirurg helfen!«
    »Ich bin ein Chirurg!« sagte Dombono fest.
    »Die Blitze der Götter helfen Sikinophis nicht! Die Exzision eines osteoiden Osteoms ist etwas anderes als eine Gallenspaltung.«
    »Sie hätten auch diese nicht für möglich gehalten!«
    »Das gebe ich zu!« Stricker beobachtete jetzt die junge Frau. Sie hatte die Augen aufgeschlagen und blickte um sich. Schmerzen schien sie nicht zu spüren. Wie alle, die aus der Narkose erwachen, schien auch sie verwundert zu sein, daß alles vorüber war. Ihr Blick wanderte zu Stricker, dankbar, demütig, als habe er ihr geholfen. Er schüttelte den Kopf und zeigte auf Dombono.
    Plötzlich wurde die Tür aufgerissen! Einer der Priester-Ärzte erschien und rief Dombono etwas in unverständlicher Sprache zu. Dombono hob den Kopf, starrte Stricker an und winkte mit einer eckigen Bewegung. Der junge Priester schien sehr aufgeregt, sein hellbraunes Gesicht war leicht verzerrt. Er zögerte etwas, warf sich dann herum und rannte davon. Irgendwo in den weiten Hallen des Tempelbezirkes dröhnten jetzt die Gongs. Von draußen schallten Trompetentöne. Es war eine Aufregung, die Stricker beinahe körperlich spürte. Dombono lehnte sich an den OP-Tisch.
    »Die Stadt ist in Aufruhr«, sagte er seltsam ruhig. »Die Soldaten rücken aus. Die erste Wache ist überfallen worden; man hat den Mann betäubt und ihm die Uniform ausgezogen! Ein Fremder ist in Urapa eingedrungen. Es ist das erstemal, daß dies gelungen ist!«
    Zwei Schwestern erschienen und rollten die junge Frau aus dem Zimmer. Sie lächelte Stricker zu und hob zaghaft die rechte Hand zum Gruß. Dombono zeigte auf den anderen Ausgang, durch den sie hereingekommen waren.
    »Das ändert vieles«, sagte er hart. »Gehen wir! Sie und die anderen werden so lange mit Durst und Hunger an der Tempelmauer hängen, bis wir den Fremden gefunden haben. Urapa ist wichtiger – wichtiger sogar als Sikinophis!«
    Eine halbe Stunde später befand Stricker sich wieder in seinem Käfig hoch über der Stadt. Er konnte sehen, wie Kolonnen von Soldaten in die Berge zogen. Sie waren jetzt die einzigen Lebewesen in diesem Haufen ineinander verschachtelter Steinhäuser. Die Bewohner hatten sich verkrochen wie Tiere, die eine Gefahr wittern und sich in ihrem Bau verstecken.
    Oben, auf der Spitze der Tempelpyramide, im heiligsten Bezirk, stieg eine dünne Rauchsäule auf.
    Gott der Freiheit und des Sieges, hilf uns!
    »Was ist los?« schrie Albert Heimbach. Er hatte sich heisergebrüllt und war nun so erschöpft, daß er kraftlos auf seinem Käfigboden lag.
    »Haben Sie operiert?« fragte Peter Löhres.
    Veronika saß in ihrem Käfig und starrte in die Tiefe. Sie brauchte nicht zu fragen. Strickers Schweigen war Antwort genug.
    »Wir bekommen Besuch«, sagte er nach einer geraumen Zeit.
    »Besuch?« Sie hob den Kopf. »Wer?«
    »Das weiß eben keiner. Jemand hat die Wache überfallen und marschiert in Uniform auf die Stadt zu. Er muß komplett verrückt sein. Seine Chance ist gleich Null. Wir aber werden hier oben vertrocknen, wenn sie ihn nicht finden.«
    Das war der Augenblick, da Albert Heimbach laut zu beten begann.
    Das Gefühl im Nacken, mit jedem Schritt einer ausweglosen Situation näherzukommen, marschierte Alex Huber in seiner schwarzen Lederschuppen-Uniform die Straße dahin. Die Leute, die ihm begegneten und ihn an das alte Ägypten oder Assyrien erinnerten, beachteten ihn nicht, sondern trieben ihre Esel vor sich her in schmale Seitenwege. Dort wucherte üppig der Urwald, überzog die Felsen mit riesigen Pflanzen. Ihm war es jetzt auch klar, warum niemand aus der Luft diese Straße sehen konnte. Die Felsen und die Bäume stießen in einer Höhe von vielleicht zehn Metern fast zusammen; er ging wie in einem riesigen Tunnel, und nur ein schmaler Streifen Himmel gab der Straße Licht.
    Da aber öffnete sich plötzlich die Felsenbarriere. Ein weiter Talkessel lag vor ihm, man sah seltsam gewölbte Berge, und dann breitete sich die Stadt zu seinen Füßen aus: ein Märchengebilde, wie in das Innere einer Kugel gebaut, Häuser und Straßen, riesige Mauern und pyramidenähnliche Bauten, Gärten auf unzähligen Terrassen, Wiesen und Felder, ein aufgeschlagenes Bilderbuch versunkener Zeiten. Eine Legende, die Wirklichkeit war?
    Alex

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