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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu glühen begannen. Er sah die Soldaten nicht nur auf Bergstraßen marschieren – wie bei einem Straßenkampf würden sie in Trupps zu fünf Mann Haus um Haus, Gasse um Gasse, Straße um Straße durchkämmen. Sie ließen nichts aus in dieser Stadt, keinen Garten, keine Ecke, keinen Winkel. Man würde ihn jagen wie eine Ratte …
    Es blieb ihm keine andere Wahl: Hinter sich der Ring der suchenden Soldaten, vor sich der weite Tempelplatz, die Riesentreppe, die Mauer mit den Käfigen … Veronika …
    Ich bin Soldat, sagte er sich. Verdammt ja, warum versteckst du dich? Du trägst eine Uniform. Die einzigen Menschen, die jetzt diese Straßen bevölkern, sind Soldaten. Hier fällt jetzt alles auf, was nicht eine Uniform trägt. Aber sie wissen ja, daß ich in ihrer Kleidung in die Stadt gekommen bin – das erschwert die Suche. Nur einer, der sich versteckt, ein Soldat, der sich auffällig benimmt, wird gesucht …
    Frechheit, hilf mir, dachte er. Dann marschierte er los, den Helm tief im Gesicht, und steuerte die Treppe an. Er blickte nicht nach rechts und nicht nach links. Er überquerte den freien Platz und stand am Fuß der Treppe.
    Vierzig Ewigkeiten, vierzigmal ein Tritt gegen den Tod: Wach auf! Schlag zu! Ich bin es, den du suchst!
    Aber nichts geschah.
    Huber blieb stehen und holte tief Atem. Sein Nacken brannte, als läge die ganze Sonne auf ihm. Er blickte die Treppe hinauf, diese Stufen, die im Himmel zu enden schienen, und er biß die Lippen zusammen.
    »Das schaffe ich nie!« sagte er zwischen den Zähnen. »Mein Gott, das ist unmöglich!« Er warf den Kopf schnell zur Seite. Oben hingen die Käfige, unten standen wie aus Stein gehauen die Wachen. Und die Stadt regte sich nicht. Vor seinen Augen verschwammen die Stufen wie unter einem ätzenden Nebel. Mir läuft der Schweiß in die Augen, sagte er wie ein Fiebernder. Ich bin naß, als wäre ich in einen Fluß gefallen. Ich löse mich auf im Angstschweiß. Die Treppe! Die Treppe …
    Er ging weiter. Stufe um Stufe, nicht hastig, nicht auffällig, so, als habe er den Befehl erhalten, eben diese Treppe zum Tempel emporzusteigen.
    Jetzt sehen sie mich alle, dachte er beim Weitersteigen. Alle Soldaten, die die Straßen durchsuchen. Das ist er nicht, werden sie sagen. Das kann er nicht sein. Soviel Unverfrorenheit gibt es nicht. Steigt vor unseren Augen zu den Gefangenen hinauf. Das ist unmöglich! Sucht weiter, Leute!
    Wer hat diese Treppe erfunden? Der Ahnherr aller Teufel? Wer hat den Gedanken gehabt, einen Weg aus Stufen zu bauen? Das grausamste Gehirn, das je gedacht hat. Gott! Ich verfluche alle Treppen! Aber guter Gott, hilf mir …
    Jede Stufe wurde zum Kampf gegen die Schwere, die wie Blei in seinen Beinen lag. Jeder Schritt wurde zur brennenden Qual. Und die Treppe wuchs und wuchs, und jede Stufe, die er überwunden hatte, schien eine unsichtbare Hand wieder über ihm aufzuschichten. Weiter, befahl er sich. Im gleichen Tempo weiter! Du bist ein Soldat, du hast einen Befehl. Hunderte sehen dich jetzt, du bist mit diesen Treppen aufgewachsen, sie gehören zu deinem Trainingsprogramm. Zweihundert Stufen? Lächerlich, Mann!
    Ab und zu schielte er zur Seite. Jetzt war er auf der Höhe der Käfige an der Mauer, jetzt einige Meter über ihnen. Die Gefangenen sahen ihn auch, starrten zu ihm hinüber. Er hörte Heimbachs hysterische Schreie zum erstenmal, er erkannte Veronikas blonden Kopf, sie stand am Gitter und hatte den Arm ausgestreckt. Sie zeigte auf ihn, und der Mann im Nebenkäfig – es war Doktor Stricker, der Arzt – rief ihm sogar etwas zu.
    Aber er verstand es nicht, und das war gut so. Denn Stricker schrie ihm zu: »Verdammt! Sie Narr! Hören Sie mich? Ich weiß, daß Sie hier eingedrungen sind! Tun Sie die verdammte Tasche weg! Sie Vollidiot! In Urapa-Uniform und dann mit einer europäischen Tasche in der Hand! Hören Sie mich?«
    »So 'wat von Blödheit!« brüllte nun auch Peter Löhres. »Äwwer Mut hat er doch …«
    Alex Huber stieg weiter die Treppe hinauf. Links ging die Mauer mit, und als er glaubte, er müsse zusammenbrechen und die unendlichen Stufen wieder hinabrollen, hatte er das Mittelstück erreicht. Hinter der Mauer lief ein breiter Gang entlang, erst dann setzte sich der Pyramidenbau fort. Von unten konnte man diesen Einschnitt nicht sehen.
    Er schwenkte ab, verließ die Treppe, und mit diesem letzten Schritt wurde er unsichtbar. Die Mauer verdeckte ihn. Er ging wie in einer großen Rinne. Da begann er zu rennen, warf den Kopf

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