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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein wildes Tier …
    »Kommen Sie mit!« sagte Dombono streng. Er winkte hoheitsvoll. Die Mauer der Eisenspitzen öffnete sich, und es entstand eine Gasse bis hinüber zu dem riesigen Tor, das rechts und links von zwei Fabelwesen aus Gold bewacht wurde: Gebilde aus Menschengliedern, Vogelköpfen und Löwentatzen.
    Der Palast also, dachte Huber. Ich habe es geschafft! Vroni, ich habe es tatsächlich geschafft! Sie bringen mich zu dieser Göttin! Sie töten mich nicht! In einer Stunde bist auch du wieder auf der Erde, heraus aus dem Käfig dort oben in der luftigen Höhe! Das ist meine erste Bedingung, sonst operiere ich nicht.
    Plötzlich kam er sich sehr stark vor. Er spürte, welche Macht er im Augenblick in Urapa besaß. Man brauchte ihn, in seinen Händen lag vielleicht das Wertvollste, was dieses Märchenreich sein eigen nannte.
    Hoffentlich ist es auch ein Osteom, dachte er, als er an der Seite Dombonos durch die Gasse der schwarzledernen Soldaten ging. Gebe Gott, daß sich Doktor Stricker nicht geirrt hat. Ist es dagegen ein Knochenkrebs, Veronika, dann rettet uns nichts mehr. Da bin ich machtlos …
    Vor dem haushohen Eingang des Palastes blieb er stehen und blickte zurück zur Tempelmauer. Er konnte die Menschen in den Käfigen nur undeutlich erkennen, sie waren so klein wie helle Käfer, aber er sah doch, daß sie alle an den Gittern standen und zu ihm herunterstarrten. Stricker mußte ihnen alles erklärt haben. In welcher Hoffnung lebten sie jetzt! Mit welchem letzten, verzweifelten Glauben dachten sie jetzt an ihn!
    Dombono legte ihm seine große Hand auf die Schulter. Es war, als durchriesele ihn plötzlich ein eigenartiger Strom. Das ist es, was Stricker erzählte, dachte er. Die rätselhafte Kraft. Dieser Mensch ist ein geballtes Strahlenbündel an Energie.
    »Holen Sie die Käfige herunter!« sagte Huber laut.
    »Nein!«
    »So wenig ist Ihnen Ihr zukünftiger König wert?«
    Dombono antwortete nicht. Er stieß ihm die Faust in den Rücken, und es war ein brutaler Stoß, dessen Schmerz bis unter die Hirnschale zuckte. Dombono trieb ihn vor sich her in den Palast.
    Wie lange Alex Huber zwischen den leuchtenden goldenen Wänden mit den wundersamen Zeichen und Bildern gewartet hatte, wußte er nicht – es kam ihm unendlich lange vor. Er stand allein in dem hohen Raum, in völliger Stille. Dann ging er zögernd umher und suchte die Tür, durch die er hineingestoßen worden war. Aber überall war nur das gehämmerte goldene Metall, eine Wand aus phantastischen, fugenlosen Bildern. Sie schienen die Geschichte von Urapa zu erzählen: Jahrtausende des Glücks in einem Tal, das wie das Innere der Erde war.
    Hubers Schritte waren die einzigen Laute, die es hier gab.
    Sie hallten in dem domhohen Raum so durchdringend, daß sie schmerzten. Er empfand sie wie Hammerschläge auf den Schädel. So blieb er stehen und wartete.
    Endlich öffnete sich die Wand. Dombono tauchte auf, von dem unerklärbaren geisterhaften Licht umgeben, dessen Quelle unerkennbar war. Hinter ihm schoben zwei andere Priester das Bett herein, auf dem, eingehüllt in golddurchwirkte Schleier, Sikinophis lag. Er rührte sich nicht. Unbeweglichkeit, Erstarrung schien in Urapa das Zeichen der Gottheit zu sein. Und Stille, diese schreckliche, tötende Stille!
    Huber blieb mitten im Raum stehen. Das Bett stand zwei Meter von ihm entfernt; die Priester entfernten sich lautlos. Dombono zeigte auf den Knabenkörper.
    »Ich wiederhole, was ich Doktor Stricker gesagt habe: Wenn Sie den Sohn der Sonne berühren, ist Ihr Leben mit dem seinen unlösbar verbunden.«
    Huber nickte. Ein Krampf befiel seine Kehle. Jetzt fällt die erste Entscheidung, dachte er. Untersuchung, Diagnose, das Urteil, ob man operieren kann oder nicht. Die Prognose, von der unser Leben abhängt. Veronikas Leben …
    »Was soll das?« sagte er, heiser vor unterdrückter Spannung. »Warum liegt er auf dem Bett? Er soll aufstehen und herumgehen.« Dombono starrte Huber an, als habe dieser gerade Sikinophis ermordet. Der Knabe rührte sich nicht, nur seine Finger bewegten sich. Sie strichen nervös über die gestickte Unterlage.
    »Was ist denn?« sagte Huber laut. »Er soll sich bewegen.«
    »Unmöglich!« Dombono hatte sich von dem Schrecken erholt. »Er krümmt sich vor Schmerzen.«
    »Das will ich sehen!«
    »Niemand darf sehen, wie sich der Sohn der Sonne quält!«
    »Mit Ausnahme seines Arztes. Und ich bin jetzt sein Arzt!«
    Von irgendwoher kam eine Stimme … unwirklich,

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