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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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operieren müssen.«
    »Sie wird gelingen!« Huber rutschte von der Mauerkrone. »Ich werde Sie als Assistenten anfordern.«
    »Nein! Lassen Sie das! Ich muß bei Veronika bleiben. Sie wird mich nötiger haben als Sie.«
    »Das stimmt. Drücken Sie mir die Daumen!«
    »Ich drücke, was sich drücken läßt.« Stricker hob beschwörend die Hand. Sie zitterte heftig. »Gott stehe Ihnen bei, Herr Doktor Huber!« Es war das erstemal seit dreißig Jahren, daß er Gott zu Hilfe rief …
    Langsam ging Alex Huber zurück zur Treppe. Dort holte er noch ein paarmal tief Luft, straffte sich kurz und trat dann hinaus auf die breite Steinstufe. Auf der Mitte der Treppe angekommen, begann er den Abstieg – ein einsamer Mann in einer schwarzen Uniform aus Lederschuppen. Er nahm den Helm ab, damit jeder sehen konnte, wer er war. Die Sonne beglänzte sein braunes Haar, das jetzt einen kupfernen Glanz bekam.
    Er blickte nicht zur Seite zu den Käfigen, aber er hörte von dort Stimmengewirr. Und dann plötzlich traf ihn Veronikas Aufschrei. Er traf ihn wie ein Fausthieb. »Alex, Alex! Tu es nicht! Alex! Rette dich! Lauf weg, Alex …«
    Weiter, befahl er sich. Blick nicht zur Seite, sieh sie nicht an. Es gibt nur noch diesen einen Weg! Zweihundert Stufen hinab. Bleib in der Mitte, Huber, mach nicht schlapp, Kopf hoch … Fuß um Fuß, Stufe um Stufe … du sollst nicht schwanken, Huber, du darfst nicht zittern! Jetzt sehen dich alle, sie starren dich an, tausend Augen, und sie verstehen nicht, was dieser Mensch da macht.
    Weiter, Huber, weiter! Nicht stehenbleiben. Noch hundertdreißig Stufen! Wie muß das von unten aussehen: ein einzelner kleiner Mann auf dieser riesigen Treppe …
    Er schwenkte seine Arzttasche, um keinen Zweifel mehr daran zu lassen, daß er der Gesuchte war. Um ihn herum erwachte die phantastische Stadt, die Straßen wimmelten jetzt von Menschen. Sie standen auf den Dächern, in den Höfen und Gärten, drängten zum großen Platz vor dem Tempel.
    Stufe um Stufe … Huber, auch wenn dir die Knie zittern, behalte das Tempo bei! Du mußt diese verfluchte Treppe so hinabkommen, als wärest du der Sieger über Urapa. Und dabei trommelt dein Herz, und es läuft dir der Schweiß in die Augen.
    Von allen Seiten dröhnten jetzt Gongschläge, und die Signale tönten aus den bronzenen Muschelhörnern. Auf dem großen Platz vor dem Tempel stellten sich die Soldaten auf. Aus der Höhe wirkten sie wie ein einziger schwarzer Teppich.
    Langsam, Schritt für Schritt, ging Alex Huber die Stufen hinunter. Wenn ich den Platz erreiche, ist schon die Hälfte gewonnen, dachte er. Falls ich ihn erreiche …
    Die letzten Stufen.
    Vor ihm wuchs ein Wald von Speeren auf; ein Gestrüpp von Eisenspitzen kam ihm entgegen. Noch nicht, dachte er verzweifelt. Noch nicht! Seht ihr nicht die Ledertasche? In dieser Tasche bringe ich das Leben eures Sikinophis … und das Leben Veronikas.
    Wartet noch … um des Himmels willen … wartet noch …

13
    An der untersten Stufe der Treppe erwartete ihn Dombono. Huber wußte nicht, wer dieser Mann war, aber das goldbestickte Gewand, der wertvolle Kopfputz und die Tatsache, daß er allein an der Treppe stand, daß die Mauer der Speerspitzen erst zwei Meter hinter ihm begann und jede Sicht über den Platz versperrte – dies war ein deutliches Zeichen seiner Hoheit. Nach dem Bericht Strickers mußte das der Mann sein, der nach der geheimnisvollen Königin und Göttin von Urapa der Mächtigste in diesem phantastischen Land war: der Chirurg auch, der eiserne Messer zwischen den Fingern rieb, bis sie elektrisch so aufgeladen waren, daß man mit ihnen operieren konnte wie mit einem Koagulationsmesser.
    »Sie sind mutig!« sagte Dombono zur Begrüßung.
    Er sprach tatsächlich ein gutes Oxfordenglisch – Huber hatte es für einen fatalen Witz Strickers gehalten.
    »Wir haben Hochachtung vor dem Mutigen.« Dombono blickte über Hubers Kopf hinweg empor zur hoch in den Himmel ragenden Tempelspitze, dem Allerheiligsten. »Sie wissen, daß Sie sterben müssen.«
    »So sicher ist das noch nicht.« Alex Huber stellte seine Arzttasche auf die letzte Steinstufe. Seine Beine waren gefühllos, in den Kniekehlen zitterte die Erschöpfung, der Schweiß lief über sein Gesicht. Zweihundert Stufen hinauf, zweihundert hinunter; so im Training war man auch nicht mehr, trotz sportlicher Ambitionen, daß man dies nicht spürte. Skilaufen, ein bißchen Tennis, Schwimmen – geradezu lächerlich gegen vierhundert Stufen, vor

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