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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schreckliches »Hilfe! Hilfe!« hinaus.
    »Sie können einem wirklich den Nerv rauben!« sagte Huber stockend. »Vielleicht kann ich Sie befreien, wenn Sie zum Tempel hinaufgeführt werden …«
    »Womit denn? Wollen Sie die Soldaten und Priester umpusten?«
    »Ich habe eine Pistole und vier Magazine bei mir.«
    »Das sind dreißig Schuß! Brauche ich mehr zu sagen?«
    »Nein!« Huber senkte den Kopf. Er starrte auf Veronika hinunter und wehrte sich gegen den Gedanken, daß man jetzt hier an einer Mauer klebte und nichts mehr tun konnte, als auf den Tod zu warten. »Wieso … wieso hat man Sie so bevorzugt behandelt?« fragte er heiser.
    »Ach ja.« Stricker strich sich die graumelierten Haare aus dem Gesicht. Selbst jetzt wirkte diese Bewegung noch elegant … eine makabre Eleganz. »Es ging um ein Osteom …«
    »Um was?« fragte Huber total verwirrt.
    »Ein osteoides Osteom. Der Sohn der Göttin – tatsächlich, sie hat einen, darin ist sie total menschlich, doch über den Vater wird nicht gesprochen –, dieser Sohn hat so ein Ding am rechten Oberschenkel, nahe an der Gelenkpfanne. Der Junge hinkt, hat fürchterliche Schmerzen, und Dombono hat die Hosen voll, wenn er an die Behandlung denkt. Stirbt Sikinophis – so heißt der Knabe – unter seinen geriebenen Messern, ist auch er dran! Außerdem sieht er hier seine chirurgischen Grenzen. Und jetzt kommt der Witz.« Stricker lehnte sich an die Gitter und suchte in seinen Taschen. Aber dann entdeckte er, daß er keine Zigaretten mehr hatte. Seine Enttäuschung in diesem Moment bewies, daß er innerlich durchaus nicht so kalt war, wie er sich gab. »Der Gottessohn darf laut Testament seiner Ahnen die Stadt nicht verlassen, also muß man einen Arzt in die Stadt holen. Irgendwie hat man erfahren, daß ich Arzt bin, und so wurden wir überfallen und entführt. Das ist der wahre Grund. Nur: Ich bin Internist. Ich kann dieses Osteom zwar diagnostizieren, aber nie operieren. Machen Sie das mal der Königin und ihrem Oberpriester klar. Ich habe es versucht – es ist halb gelungen. Man hat uns allen die Freiheit versprochen, wenn ich Sikinophis von seiner Knochenwucherung befreie. Ich mußte passen! Ob ich nun doch operiere oder Dombono nur Anweisungen gebe – die Sache geht hundertprozentig schief. Sie sehen, es gibt kein Entrinnen mehr.«
    »Herr Kollege«, sagte Huber langsam. Dann schwieg er. Ein wahnwitziger Gedanke kam ihm und ließ ihn nicht mehr los. Er starrte auf Veronika, die sich zuckend bewegte, sah den bejammernswerten Heimbach an, den in seinem Käfig herumlaufenden Löhres, blickte hinunter auf die Stadt, die wie tot dalag, sah die Soldatentrupps, hörte in der Ferne die Gongschläge und die Signale aus den Bronzehörnern. »Ich … ich bin Chirurg …«
    »Was sind Sie?« schrie Stricker. »Huber!«
    »Ich bin Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik …«
    »Huber!« Paul Stricker spürte, wie seine Beine weich wurden. Er mußte sich wie Heimbach an die Gitter klammern. »Wenn Sie vor mir ständen, würde ich Sie abküssen!«
    »Ich habe sogar mein chirurgisches Besteck bei mir.« Huber griff nach unten und stellte seine Arzttasche auf den Mauerrand. »Ich reise nie ohne Handwerkszeug.«
    »Gott im Himmel, die Wunder kommen wieder!« Strickers Stimme überschlug sich beinahe. Aller Sarkasmus – dieser Panzer, den er um sich geschnallt hatte, um mit Anstand unterzugehen – zerbrach. »Sie … Sie könnten operieren? Ein Osteom?«
    »Nichts einfacher als das.«
    »Jetzt könnte ich Ihnen für Ihre Gelassenheit eine runterhauen! Nichts einfacher! Sie können uns damit das Leben retten!«
    »Genau daran denke ich.«
    »Das bedeutet, daß Sie gleich die Treppe wieder hinuntermarschieren und sich gefangennehmen lassen«, sagte Stricker tonlos. »Huber, Sie sind doch kein Idiot!«
    »Danke!« Alex Huber nickte zu Veronika hinunter. »Erklären Sie Vroni alles. Ich will nicht warten, bis sie aufwacht. Ich gehe sofort …«
    Stricker nickte. Er war jetzt unfähig, ein Wort zu sagen. Die letzte große Chance! Die einzige überhaupt! Man kann weiterleben! Nur weil ein Mann den völlig sinnlosen Mut hatte, allein seine verschwundene Verlobte zu suchen … und dieser Mann ist ausgerechnet ein Chirurg und nimmt aus alter Gewohnheit sein chirurgisches Besteck mit. Ist das ein Wunder oder einer der fatalen Scherze des Schicksals?
    »Die Operation muß gelingen, Kollege«, sagte Stricker mit großer Mühe. »Wenn Sie wüßten, unter welchen Bedingungen Sie

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