Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
sich auf die Schenkel. Mit großen Augen hörte der Junge zu. Er verstand kein Wort, aber er sah, daß es keine guten Worte waren. »Himmel noch mal! Eine richtige Szene, wie in einer Klamotte!« rief er. »Aus dem Nichts heraus ein Krach wegen nichts!«
    »Ist ein Kuß ein Nichts?«
    »In diesem Falle ja!«
    »Und ist es nichts, wenn sie zu mir sagt: Ich nehme ihn dir weg! Ich bin schöner als du! Ist das nichts?«
    »Das hat sie wirklich gesagt?«
    »Ja! Sie betrachtet dich als ihr Eigentum! Wenn du den Jungen operiert hast, wird sie sich ins Bett legen! Soll ich dir die Therapie erklären? Und sie wird dich bekommen, das weiß ich! Sie wird dich mit ihrer Schönheit willenlos machen, und während du in ihren Armen liegst, wird sie mich umbringen lassen. Es wird dir noch nicht einmal auffallen. Du wirst gar nicht nach mir fragen.«
    »Ich habe nicht gewußt, daß du hysterisch sein kannst«, sagte Alex ruhig. Er stand auf und ging zur Tür. »Aber um das für immer abzustellen, wird es jetzt einen Donnerschlag geben! Ich bin Chirurg, mein liebes Kind, und bei mir gibt es nur einen klaren Schnitt!«
    »Wo willst du hin?« Veronika starrte ihn entsetzt an. Die letzte, verzweifelte Kraft, mit der sie Alex halten wollte, war verbraucht. Jetzt kam sie sich vor wie ein Stück Schlacke, ausgebrannt, nutzlos, zum Wegwerfen. Das war alles, dachte sie. Das war mein ganzes Herz. Ich bin nicht hysterisch; ich liebe dich nur, und ich weiß, welch eine Macht diese andere Frau besitzt. Jetzt kann ich nichts mehr tun. Ich kapituliere.
    »Ich gehe zu ihr!« sagte Alex. »Ich kläre unsere Positionen! Ich habe mich mit anderem zu beschäftigen als mit Weibergezänk!« Er wollte hinausgehen, aber die Stimme des Jungen hielt ihn zurück.
    »Sprecht ihr über meine Mutter?« fragte er. Huber drehte sich um und kam ins Zimmer zurück.
    »Ein kluges Kerlchen!« Er setzte sich auf das Bett und schob das Brettspiel zur Seite. »Was machst du, wenn du deine Mutter sprechen willst?«
    »Jetzt?« fragte der Junge.
    »Ja, jetzt.«
    »Ich habe eine Glocke.« Er griff unter das Kissen und holte ein kleines goldenes Glöckchen hervor. »Wenn ich läute, hört sie ein Priester. Nur ich habe diese Glocke mit diesem Ton.«
    »Dann läute!« sagte Huber, nun zu allem entschlossen.
    »Alex!« stammelte Veronika. Sie umklammerte ihn verzweifelt. »Alex, tu's nicht! Ich war verrückt, du hast recht, ich bin hysterisch, ich bin … tu's nicht! Laß uns die letzte halbe Stunde vergessen …«
    »Warum soll ich läuten?« fragte Sikinophis. Er hielt die Glocke hoch über seinen blonden Lockenkopf. »Es muß ein ganz wichtiger Grund sein, sonst wird sie böse.«
    »Bin ich wichtig, mein Freund?«
    Sikinophis sah ihn verblüfft an. Dann lächelte er. Ein Engelslächeln. »Du bist der Wichtigste!«
    »Bitte nicht!« rief Veronika. »Bitte, bitte nicht!«
    Es war zu spät. Der Junge schwang die Glocke. Es war ein heller, jedoch kein ungewöhnlicher Ton, wie Huber erwartet hatte – gewohnt, in diesem Land nur Wunder zu erleben. Es war fast enttäuschend; es gab Glöckchen mit einem feineren Klang.
    Gespannt warteten sie, was nun geschah. Aber alles blieb still, kein Priester erschien, kein Offizier, nicht einmal Dombono, über den alles lief, was zur Göttin gelangen sollte. Sikinophis schien das nicht zu beunruhigen. Er holte das Brett wieder auf die Knie und nickte Veronika zu. »Spielen wir weiter?«
    »Jetzt nicht. Später … vielleicht«, sagte Veronika unsicher. Wird es überhaupt ein Später geben, dachte sie. Bis zur Operation wird diese kalte Frau alles ertragen, aber dann wird sie rücksichtslos zuschlagen und uns vernichten. Wer hindert sie daran, ihre Versprechungen zu vergessen? Warum kommt sie nicht?
    Sie war da, aber man sah sie nicht. Der Junge zuckte plötzlich zusammen, er wurde steif und starr, die Augen weiteten sich und bekamen einen unirdischen Glanz. Es war, als wäre sein Gesicht plötzlich von innen erleuchtet. »Sikinophis«, flüsterte Veronika. Ihre Finger krallten sich in Hubers Rücken. »Sieh dir das an! Mein Gott!«
    »Was willst du?« fragte der Junge. Seine Stimme war kalt und fremd. Ihre Stimme – die Stimme der Göttin von Urapa. Huber schluckte mehrmals. Das Phänomen überwältigte ihn. Sie ist in seinem Körper, dachte er. Ihr geistiges Ich ist in einen anderen Leib geschlüpft. Er hatte davon gehört – von spiritistischen Sitzungen, Geisterbeschwörungen, Seancen, Materialisation ferner Personen, und er hatte alles

Weitere Kostenlose Bücher