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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bereitgehaltenen Schüsseln. Zwei Priester hoben den Jungen auf den Tisch. »Mir ist zumute wie einem Scharfrichter, der sich bei der Generalprobe selbst aufgehängt hat.«
    Plötzlich erglänzte der ganze Saal in einem goldenen Schein. Hubers Sorge, nicht ohne Scheinwerfer operieren zu können, war grundlos. Das Strahlen war so intensiv, als lebe man im Inneren der Sonne, und doch war es ein weiches, ein goldenes Licht.
    Huber drehte sich, um die Lichtquelle zu suchen. Die hintere Wand des OP schien sich bis ins Unendliche geöffnet zu haben. Auf einem Thron saß Sikinika: ein einziger Glanz.
    »Hinaus!« sagte Huber laut. Dombono, die Priester, Stricker und die Schwestern – alle zuckten zusammen. Stricker hielt sich am Tisch fest, seine Beine versagten vor Schreck ihren Dienst.
    »Hinaus!« wiederholte Huber und machte die typische Handbewegung, die nie mißverstanden wird. »Oder ich operiere nicht!«

20
    Doktor Stricker war der erste, der die Sprache wiederfand. »Sind Sie wahnsinnig?« stammelte er. »Die kriegen es fertig, auf die Operation zu verzichten und statt dessen uns die Brust aufzuschneiden. Auch wenn ich einen kleinen Herzklappenfehler habe; für den Regengott von Urapa ist mir mein Herz noch zu schade!«
    »Das verstehen Sie nicht, Stricker.« Huber blickte Sikinika fordernd an. Er hatte sich an das goldene Strahlen jetzt gewöhnt und sah, daß ihr Gesicht so voller Goldpuder war, daß es wirklich einer Statue glich. »Das ist eine reine Kraftprobe!«
    »Die Sie verlieren, Sie Narr!«
    »Sind Sie sicher? Es geht um die Durchsetzung eines Willens! Es ist eine Privatsache, Stricker. Mann gegen Frau.«
    »Sie sind wirklich verrückt«, stotterte Stricker atemlos. »Sagen Sie bloß, Sie haben in der Göttin die Frau aufgeweckt?«
    »So ähnlich.« Huber stieß sich vom OP-Tisch ab. »Ich erkläre Ihnen das später.«
    »Sie Optimist! Das überleben Sie nicht!«
    »Was ist nun?« rief Huber in den Raum. Seine Stimme hallte von den kahlen Wänden wider. Hinter sich hörte er, wie sich Dombono bewegte. Sein goldenes Gewand raschelte. Was nun, dachte er. Sein Nacken versteifte sich. Bekomme ich einen Dolch in den Rücken? Er drehte sich nicht um, er wartete und sah Sikinika an. Ihre Augen konnte er nicht erkennen. Sie verschwanden unter der dicken Schicht des glitzernden Diamantenstaubes.
    »Ich beginne mit der Narkose!« sagte Dombono dicht hinter Huber. Sein Mund war so nah, daß Huber Dombonos Atem spürte.
    »Warten Sie damit!« befahl Huber kalt. »Hier müssen grundsätzliche Dinge geklärt werden. Ich will wissen, wer hier Chef im OP ist! Sie, die Königin oder ich! Und wenn das klar ist, gilt nur eine Meinung!«
    Verrückt, dachte Huber und wartete auf eine Reaktion. Die Spannung in ihm war so groß, daß seine Mundwinkel zu zucken begannen. Sosehr er sich dazu zwang, er konnte dieses Zucken nicht mehr beherrschen. In München haben wir innerlich getobt, wenn der Chef wie ein absoluter Herrscher auftrat und uns zu Handlangern oder gar Arschlöchern im weißen Kittel degradierte. Wir haben durch die Zähne geflucht, nie laut, dazu waren wir zu feig. Und was mache jetzt ich? Ich benehme mich nicht anders. Ich übertreibe es sogar: Ich werfe eine Göttin hinaus! Das hätte selbst ein Sauerbruch nicht gewagt.
    »Fangen Sie an!« sagte Dombono dunkel. Es war, als versetze er Huber einen Hieb in den Nacken.
    »Nein!«
    Ungefähr fünf Minuten standen sie sich gegenüber, schweigend, einander anstarrend, zwei ungleiche Gegner – und doch durch ein geheimnisvolles Gefühl miteinander verbunden. Der eine auf einem goldenen Thron, von Licht umflossen … der andere in zerknitterter Hose, im Unterhemd, mit bloßen Armen. Die prächtige Operationstracht der Priester hatte Huber abgelehnt, sie hinderte ihn nur. OP-Kittel, Kappe und Mundschutz gab es nicht, also operierte er freiweg mit fast bloßem Oberkörper. Über seine Haut lief ein Kribbeln. Dombonos Saft der Reinheit. Die Desinfektion schien tatsächlich zu wirken.
    Ebenso plötzlich wie sich die Wand geöffnet hatte, schloß sie sich wieder. Das Licht blieb, aber Sikinikas Gestalt versank, löste sich auf, zerfloß im Goldglanz.
    Von großartigen Effekten verstehen die was, dachte Huber. So etwas hält das Volk an den Göttern fest. Er drehte sich um und wäre beinahe gegen Dombono geprallt, der hinter ihm stand, als wolle er sich gleich auf Huber stürzen.
    »Na also!« sagte Huber zufrieden. Er warf einen Blick auf Stricker. Der sonst so

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