Wen die Sehnsucht besiegt
wie das Sonnenlicht. Nie zuvor sah ich eine so vollkommene Frau - goldenes Haar, lange Wimpern, rosige Wangen, ein bezaubernder Mund, ein perfekt geformtes Kinn. Eine Göttin in Rosa und Weiß. «
Verständnislos runzelte Rhys die Stirn. »Deine Worte passen nicht zum Klang deiner Stimme. Da beschreibst du ein Naturwunder, und es hört sich so an, als würdest du von einer Hexe sprechen. Wie könnte eine Frau, die so aussieht, einem Mann mißfallen? «
»Sie hat sich geweigert, lesen und schreiben zu lernen. Und sie genießt es, sich porträtieren zu lassen. «
»Oh, eine Frau nach meinem Geschmack! « bemerkte Rhys lachend. »Vielleicht sollte ich mein Glück bei ihr versuchen, wenn sie deiner unwürdig ist. «
Jamies vernichtender Blick brachte ihn zum Schweigen. »Natürlich werde ich meine Pflicht erfüllen. Ich muß an meine Schwestern denken. Und wenn es mir möglich ist, diese Frau zu erringen, werde ich’s tun. «
»Allzu schwer dürfte dir das nicht fallen. «
»Du hast ihre Schönheit nicht gesehen, Rhys. Sicher muß ich sie sehr lange umwerben. Daran ist sie gewöhnt. « »Im Gegensatz zu deinem vollbusigen Sperling? « Forschend musterte Thomas seinen Herrn. Er war älter als die beiden anderen, die ihren dreißigsten Geburtstag noch nicht gefeiert hatten. Mit seinen fast vierzig Jahren kannte er die Welt gut genug, um zu erkennen, wie vorteilhaft es war, sich einem Mann wie Jamie anzuschließen. James Montgomery tat sein Bestes, um für alle zu sorgen, die zu ihm gehörten.
»Wäre ich doch ein freier Mann, ein Bauernsohn… «Jamie lächelte wehmütig. »Dann könnte ich heiraten, wen ich wollte. Auf die Freiheit! « rief er, hob seinen Krug und leerte ihn in einem Zug.
Rhys und Thomas wechselten einen Blick, ehe sie ihr Ale tranken. Ganz egal, wie lange sie Jamie schon kannten - sie würden ihn nie verstehen. Da zählte er zu den wenigen Männern, die Maidenhalls Tochter gesehen hatten, und er beklagte sich, weil er eine so schöne Frau heiraten sollte. »Auf die Freiheit«, seufzten sie.
5
»Hast du ihn gesehen? « fragte Axia, hochrot vor Zorn. »Nein«, erwiderte Tode und säuberte seine Fingernägel mit einem Taschenmesser, ohne seine Erregung zu verraten.
Als ein kräftiger Gärtner die bewußtlose Erbin ins Haus getragen hatte, war Todes Herz beinahe stehengeblieben. Zunächst hielt er sie für tot. Er brachte sie in ihr Zimmer, befahl einem Diener, den Dorfarzt zu holen, und verriegelte die Tür. Dann erkannte er, daß Axia nur ohnmächtig war, und ließ den Doktor nicht herein. Er flößte ihr eine Arznei ein, und sobald sie zu sich kam, forderte er sie auf, die Ereignisse zu schildern. Nur mühsam verbarg er seine Angst. Dieser Eindringling hätte ihr etwas antun können. »Er geht nicht - er stolziert! « Mittlerweile hatte sie sich von ihrem Schwächeanfall erholt und rannte wütend im Zimmer umher. »Ständig wirft er den Kopf in den Nacken und strafft die Schultern, als würde ihm die ganze Welt gehören. Warum? Weil er den Titel eines Earls trägt? Ha! Mein Vater verspeist täglich zwei Earls zum Frühstück. « »Kein Wunder, daß er ein Choleriker ist… «
Über diesen Scherz konnte Axia nicht lachen. »Du hättest sehen sollen, wie er die liebe Kusine Frances angegafft hat. Sicher wäre dir schlecht geworden. «
Daran zweifelte Tode, was er allerdings für sich behielt, da er ihre Meinung über Frances teilte. »Das war sehr klug von Euch, ihm weiszumachen, Frances sei die Erbin. Sonst hätte er Euch womöglich entführt. «
»O nein, James Montgomery will mich heiraten. Beziehungsweise sie. Der interessiert sich nur für das Maidenhall-Gold. « Stöhnend sank Axia in einen Sessel. »Warum hat niemand Augen für mich ? Mein Vater sperrt mich ein, als hätte ich irgendwas Schreckliches getan. Sogar Verbrecher dürfen sich freier bewegen als ich. «
»Keine Erbin oder junge Frau von Eurem Stand sucht sich ihren Ehemann selber aus«, gab er zu bedenken, weil er erriet, was sie am schmerzlichsten quälte.
»Ja, aber andere Frauen müssen sich nicht mit Männern herumschlagen, die über hohe Mauern klettern, nur um sie zu sehen - oder um ihr Geld zu riechen. Aber manchmal bin ich meinem Vater fast dankbar, weil er die Leute von mir fernhält. « Sie hob eine Hand, um auf die Welt jenseits des Gartens zu zeigen. »Was glauben denn die Leute da draußen, was ich den ganzen Tag mache? «
Natürlich wußte Tode, daß er hin und wieder seine Pflicht als Spaßmacher erfüllen
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