Wen die Sehnsucht besiegt
lächelte sie an, und wenig später kramte sie Weinflaschen unter den Bodenbrettern hervor und bot ihm ein Federbett an. Thomas und Rhys mußten auf der Erde schlafen.
Wäre Jamie anders veranlagt gewesen, hätte er seine Wirkung auf die Frauen ausgenutzt. Doch das tat er nicht. Er blieb stets nett und höflich, aber er lehnte die meisten Angebote ab. »Sonst würde ich dem Gemahl dieser Frau ein Unrecht zufügen«, pflegte er zu verkünden, was alle Männer in seiner Hörweite zu schallendem Gelächter veranlaßte.
Am königlichen Hof wäre er sehr beschäftigt gewesen, hätte er sich nicht an seine Prinzipien gehalten. Fast alle Frauen, ledige und verheiratete, wollten ihn in ihr Bett locken. Nur ganz selten erlag er der Versuchung. Er war weder prüde noch asketisch, sondern einfach nur vorsichtig.
»Auf dem Schlachtfeld bemühe ich mich, dem Tod zu entrinnen«, erklärte er. »Warum sollte ich für eine Nacht mit einer verheirateten Frau mein Leben riskieren? Oder den Vater einer Jungfrau erzürnen? Und eine Geliebte kann ich mir nicht leisten. «
So nahe sich die drei Freunde auch standen, Rhys und Thomas wußten nicht viel über Jamies Liebesleben. Manchmal war sein Bett nächtelang leer, und am Morgen gähnte er, aber er verriet nicht, wo er gewesen war.
Sein Entschluß, eine Ehe einzugehen, zeigte deutlich, welch große Sorgen er sich um seine Familie machte. »Also, wie ist sie? « fragte Rhys noch einmal. Die Maidenhall-Erbin. Eine Legendengestalt. Wie Midas oder Krösus. Seit ihrer Geburt spielte sie in vielen Tagträumen die Hauptrolle, das einzige Kind eines schwerreichen Mannes. »Wäre ich so reich wie die Maidenhall-Erbin… « Jeder in England sprach irgendwann diese Worte aus. Angeblich hatte sogar die Königin einen ausländischen Botschafter gefragt, ob er sie für ebenso reich wie die Maidenhall-Erbin halte.
Aber niemand sagte: »Wäre ich so reich wie Perkin Maidenhall… «, denn das klang nicht romantisch, insbesondere, weil sein Geiz berüchtigt war. Zahlreiche Anekdoten rankten sich um seine Sparsamkeit, und man behauptete sogar, er würde seine Kleider so lange tragen, bis sie in Fetzen an seinem Leib hingen. Und er war knochendürr, weil er sich kaum einen Bissen gönnte. Er verachtete jede Art von Amüsement. Niemals ließ er sich an Spieltischen blicken. Einem Gerücht zufolge hatte er nur geheiratet, um ein Stück Land zu erwerben, das zwischen seinen Grundstücken lag. Der Brautvater war nicht bereit gewesen, es zu verkaufen. Ein einziges Mal hatte Perkin mit seiner Frau geschlafen und ein Kind gezeugt. Wenige Tage später war sie gestorben.
Nein, Maidenhall wurde nicht beneidet. Um so mehr seine Tochter, ein mutterloses Mädchen, das man niemals in der Öffentlichkeit sah. Sie lebte im südlichen England, hinter hohen Mauern. Nicht einmal die Bewohner des Dorfes, das in der Nähe des Anwesens lag, hatten sie jemals zu Gesicht bekommen. Und wenn jemand im Haus über sie sprach, »verschwand« er. Überall wimmelte es von Maidenhalls Spionen.
»Ja, raus damit! « rief Thomas. Normalerweise überließ er es Rhys, herauszufinden, was er wissen wollte. Aber diesmal erforderte Jamies beharrliches Schweigen etwas drastischere Maßnahmen.
»Ein netter kleiner Sperling… « Träumerisch starrte Jamie ins Leere. »Große braune Augen, die einem Mann mitten ins Herz schauen können, runde Brüste - und sie bewegt sich auch so behende wie ein Vogel. « Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Leider ist ihre Zunge so spitz wie der Schnabel eines Vogels. «
Entsetzt schnappten seine Freunde nach Luft. Rhys war der erste, der sich von seinem Schrecken erholte. »Du hast dich in die Erbin verliebt ? «
Jamie schaute die beiden an, als zweifelte er an ihrem Verstand. »In Axia? « Sobald er den Namen ausgesprochen hatte, erkannte er, daß er zuviel verriet. Gewisse Dinge mußten geheim bleiben. »Mit Liebe hat das nichts zu tun. Ich eskortiere eine Frau zu ihrem… «
»Einen vollbusigen Sperling, eh? « Lachend stieß Rhys seinen Ellbogen zwischen Thomas’ Rippen. »In diesem Winter können wir uns die Bäuche vollschlagen, wenn er die Maidenhall-Erbin heimgeführt hat. «
Thomas lächelte nicht. »Wer ist Axia? «
»Nun, sie wird mir helfen, die Erbin zu erobern«, murmelte Jamie verdrießlich.
»Aber ich dachte, dein kurvenreicher Sperling wäre die Erbin«, sagte Rhys verwirrt.
»Nein«, entgegnete Jamie und spähte in sein Ale. »Die Erbin heißt Frances, und sie ist so schön
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