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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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    Ich stapfte nach oben, zog mit dem Finger eine Spur durch den Staub auf dem Geländer. Er hatte nicht einmal versucht, es uns wohnlich zu machen. Ich ließ mich in seinen Lehnstuhl sinken; es war mir egal, dass er im Haus war und mich ertappen konnte. Ich wollte herausfinden, was Tricks Mutter und seine kleinen Schwestern auf der Koppel machten.
    Ich hatte nicht erwartet, Trick dort zu sehen. Offensichtlich war er sofort nach Hause gegangen, denn er kauerte mit seiner Mutter und seinen kleinen Schwestern am Feuer und aß etwas. Sie wirkten wie eine Familie, die mit dem Wohnwagen Urlaub machte.
    Ich war sauer, denn geklaut wurde doch schon immer. Nur weil bei uns noch nie etwas gestohlen worden war, hieß das noch lange nicht, dass es niemals passieren würde. Jeder konnte der Dieb sein. Aber wenn ich so etwas auch nur andeutete, würde Dad mich glatt für verrückt erklären. Er hielt mich für schrecklich naiv.
    Tricks Mutter verteilte Getränke. Sie bewegte sich wie Trick: schnell und zielgerichtet. Er hatte keinerlei Ähnlichkeit mit seinem Vater. Wenn ich nur daran dachte, wie er sich vornüberbeugte, um seine Schuhe zuzubinden, ohne auf jemanden zu achten, und wie sein wulstiger Stiernacken auf einer Höhe mit seinen Schultern war, wurde mir ganz flau im Magen. Trick schmunzelte über eine Bemerkung seiner Mutter, und ich wusste es, ja, ich hatte das untrügliche Gefühl: Er würde uns nicht bestehlen.
    Jenseits der Wohnwagen, auf dem Ashbourne-Anwesen, raschelten die Maisblüten verführerisch. Ich dachte an unseren Geheimplatz in dem Feld und wünschte, wir wären wieder dort, nur wir beide, ohne dies alles.
    Tricks Mum warf ihm einen Apfel zu und er biss hinein; er wirkte nervös, er wartete darauf, dass sein Vater nach Hause kam. Ich wollte ihn warnen wegen dem, was passiert war. Ich wollte, dass er vorbereitet war.
    »Pilli?«
    Dads Stimme ließ mich hochschrecken. Ich tat so, als würde ich den Stapel Wäsche auf dem Lehnsessel durchsuchen. Er hielt mir eine Tasse Tee hin, und ich nahm sie, ohne Dankeschön zu sagen.
    »Schau dir diesen ganzen Müll an«, sagte er kopfschüttelnd und stellte sich neben mich.
    Hinter jedem Wohnwagen befanden sich schwarze Säcke und ein paar zugebundene Plastikeinkaufstaschen. Einer von den Hunden – oder vielleicht auch ein Fuchs – hatte sie aufgerissen und den Inhalt auf dem ganzen Boden verteilt. Lebensmittelverpackungen und Windeln lagen auf der Koppel verstreut. Am Feuer waren stapelweise alte Reifen, Wellblechplatten und ein leerer Benzinkanister.
    »Du hast mir vorhin keine Antwort gegeben«, sagte Dad.
    Keiner von uns sah den anderen an. Ich lauschte in seinem Tonfall nach Anzeichen eines bevorstehenden Donnerwetters.
    »Wo warst du? Als ich dich gerufen habe?«
    Ich blies in meine Teetasse. Der Tee kräuselte sich wie der See von Ashbourne bei leichter Brise.
    »Iris?«
    »Auf dem Acker der Schweinefarm«, log ich.
    »Warum hast du mich dann nicht gehört?«
    »Bin wahrscheinlich eingenickt.«
    Seine besorgte Miene verriet mir, dass er über irgendetwas mit mir sprechen wollte. Ich kreuzte meine Finger so fest, dass die Gelenke wehtaten; hoffentlich war es nichts, was mich von Trick fernhalten würde.
    Er trat vom rechten auf den linken Fuß, dann nahm er sämtliche Fünf-Pence-Münzen, die er auf dem Fensterbrett gestapelt hatte.
    »Sieh mal, ich habe dir in letzter Zeit viele Freiheiten gelassen, aber nur, weil ich dir vertraue. Um dich mache ich mir nicht so viel Sorgen wie um deinen Bruder. Ich weiß ja, dass du vernünftig bist.«
    Ich fischte ein Katzenhaar aus meinem Tee.
    »Lass das einen Moment. Ich muss mit dir reden. Über diese Zigeuner …«
    Irische Landfahrer, verbesserte ich ihn im Stillen.
    Ich machte mich darauf gefasst, dass er von meiner Freundschaft mit Trick wusste und dass ich nicht mehr alleine das Haus verlassen durfte, da man mir offenbar nicht trauen konnte, weil ich genauso schlecht war wie mein verdammter Bruder und noch schlechter als meine Mutter, aber er sagte nur: »Ich weiß, wie du bist, Pilli, du siehst immer nur das Beste in anderen Menschen, und das ist etwas Schönes, aber …« Er wandte sich von mir ab und nickte zur Koppel hin. »Ich lebe lange genug auf dieser Welt, um zu wissen, dass man diesen Leuten da unten nicht trauen darf. Ich weiß, du hältst mich für ungerecht oder voller Vorurteile« – er sprach das letzte Wort so aus, als gäbe es diesen Begriff eigentlich gar nicht –, »und ich weiß, dass

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