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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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dass ich …« Er hielt inne, aber seine Zehen wippten weiter, linker Fuß, rechter Fuß … Ich hätte seine Füße am liebsten festgehalten, das Gezapple machte mich ganz nervös.
    »Und weiter?«, fragte ich.
    Ich schälte die Blätter vom Kolben und zerlegte den Mais zu einem Häufchen Futter für die Fasane.
    »Na ja – Matt Dunbar nannte mich einen beschissenen, stinkenden Zigeuner und so weiter, und keiner von den Lehrern bemerkte was oder interessierte sich dafür. Ich machte mir auch nicht viel daraus, bis er irgendwann anfing, mich einen Schlappschwanz zu nennen. Er behauptete, solches Pack kämpfe nur gegen Schwächere. Als würde ich vor ihm kuschen! Und jedes Mal, wenn ich nicht darauf einging, wurde es schlimmer. Eines Tages hatte ich die Nase voll, und als er wieder mit seiner üblichen Masche kam, verpasste ich ihm eins zwischen die Augen.«
    »Na und?«, sagte ich. »Und wennschon.« Ich kannte Typen wie Matt Dunbar – solche Leute wurde man nur auf diese Weise los.
    »Aber das hätte ich nicht tun dürfen, Iris. Das ist Punkt. Ich weiß nämlich, wie man kämpft. Ich bin kein Schlägertyp oder so, aber ich bin damit groß geworden. Mein Dad hat es mir beigebracht, eigentlich hasse ich es ja, aber …«
    »Womit bist du groß geworden?«
    Ich fühlte mich, als hätte jemand plötzlich einen Vorhang weggezogen und den Blick auf eine völlig unbekannte Welt freigegeben, mitten in England, hier an diesem Ort. Direkt vor meiner Haustür.
    »Er war jahrelang Faustkämpfer. Du müsstest mal seine Hände sehen, wirklich schlimm – dicke, krumme Wurstfinger …« Er schnitt eine Grimasse, als würden die Wurstfinger nach ihm greifen. »Jetzt, wo er nicht mehr kämpft, hasst er sie. Inzwischen gehorchen sie ihm nicht mehr – aber früher waren sie sein ganzer Stolz. Als ich noch kleiner war, drehte sich alles nur um seine Fäuste.«
    »Ist das eigentlich legal?«
    »Nein, aber wen kümmert das? Die Bullen lassen uns einfach machen. Dad war eine große Nummer – mit Paddy Delaney hat sich niemand angelegt. Ich wollte immer so sein wie er. Im alten Camp hatte ich schon einen Ruf weg. Aber irgendwann hat es mir gereicht. Es war immer dasselbe. Wozu das Ganze? Ich habe eigentlich keine Lust mehr, aber irgendwie habe ich keine Wahl. Das sage ich auch meiner Ma die ganze Zeit – ich schwöre, ich kann nicht anders! Aber ich hätte nie gegen einen Gadscho kämpfen dürfen. Nichts gegen euch, aber so ist es eben.«
    »Und dann? Was ist passiert?«
    Er sah mich an und zog an seiner Oberlippe. »Er war ein großer Typ, Iris. Der härteste der Klasse …«
    »Trick.«
    »Ich habe ihm eine reingehauen. Er ist zu Boden gegangen, mit dem Gesicht auf den Asphalt geschlagen – ausgerechnet der Schulhof-Asphalt – und hat sich die Schneidezähne ausgeschlagen. Ich habe ihm noch eine reingetreten und bin dann abgehauen.«
    In seiner Stimme lag weder Stolz noch Reue, er klang vollkommen sachlich. Ich fragte mich, wie ich mich bei so einem Kampf anstellen würde.
    »Später habe ich gehört, dass er über Nacht im Krankenhaus bleiben musste. Gehirnerschütterung und so. Aber inzwischen ist er wieder okay«, fügte er schnell hinzu.
    »Woher willst du wissen, ob du von der Schule geflogen bist?«
    Er blickte mich verständnislos an.
    »Sie können dich nicht einfach davonjagen, ohne dich angehört zu haben. Das ist das Mindeste. An meiner Schule wird man wegen so was noch lange nicht rausgeworfen.«
    »Glaub mir, Iris. Ich habe alles vermasselt. Und jetzt muss ich mit meinem Vater arbeiten gehen. Heul mir ja nichts vor, hat er gesagt …«
    »Hast du das?«
    »Natürlich nicht, verdammt. Aber er hat es trotzdem rausgefunden – er findet immer alles heraus – und jetzt ist er stinksauer, weil er mir ja immer gesagt hat, dass so was passieren würde und dass ich mich nicht abgeben soll mit …« Er verstummte, aber es war klar, was er hatte sagen wollen.
    »Ich dachte, wenn ich einfach das neue Schuljahr abwarte, hätte sich vielleicht alles beruhigt und sie würden mich wieder in die Schule lassen und ich müsste weder Dad noch dir etwas davon sagen und nicht arbeiten gehen. Eigentlich ist es egal, weil ich dann ja immerhin für mich arbeiten werde, aber ich weiß nicht … Irgendwie hat es mir in der Schule gefallen.«
    Er wusste nicht mehr weiter und wirkte so niedergeschlagen, dass ich nicht anders konnte – ich streckte die Hand nach ihm aus und tätschelte seine Knie, als wäre er ein Haustier, dass gerade vom

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