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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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war. Der Mond war zu hell, um einfach loszurennen. Wenn Dad aus irgendeinem Grund aufstand und durchs Fenster sah, würde er mich sofort entdecken.
    Das Gras fühlte sich kalt an, als ich wie eine Spinne am Haus entlangkroch. Von meinem Zimmer aus waren es etwa zehn Meter bis zum Wohnzimmerfenster. Ungefähr zwölf Spinnenschritte und ich war dort. Ich zählte die Schritte, um Ruhe zu bewahren. Die Gänseblümchen hatten ihre Blüten zur Nacht geschlossen, und die Luft roch angenehm nach Gras und Rosen, aber nebenan im Wohnzimmer sang Dad und ich kriegte Bauchweh. Die Fenster standen weit offen; ich hörte, wie Dad eine leere Dose zerdrückte und sie in die Feuerholzkiste warf. Ich holte tief Luft. Ich dachte an Trick in seiner roten Weste und seinen ausgewaschenen Jeans, der bestimmt schon auf mich wartete, und rannte los.
    Der Wind dröhnte in meinen Ohren, mein Herz trommelte pausenlos, und bei jedem Schlag rechnete ich damit, Dad aus dem Fenster schreien zu hören. Doch alles blieb ruhig, also lief ich weiter und setzte dabei sogar die Arme ein, wie ich es im Sport nie tat, egal wie oft Mr Limb mich belehrte. Ich wich tückischen Schlaglöchern aus, machte ballettreife Sprünge, stellte mich auf Zehenspitzen, und dann war ich am Tor der Schweinefarm, kletterte in Windeseile hinüber, rannte weiter, obwohl es gar nicht mehr nötig war, aber ich wollte rennen, weil ich es geschafft hatte! Ich hatte mich von zu Hause weggeschlichen, um Trick zu treffen.

Achtzehn
    D as Versteck im Maisfeld war leer.
    Ich stützte die Hände auf die Oberschenkel und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Der Mais, die Brombeeren und die Nesseln, durch die ich gerannt war, hatten meine Beine zerkratzt. Ich fluchte leise, als mich plötzlich etwas am Kopf traf.
    »Dachte schon, du hast das Zeitliche gesegnet.«
    Ich wirbelte herum. Trick saß in der Eiche. Ein kleiner Maiskolben lag neben meinen Füßen.
    »Kann passieren«, sagte ich und dachte daran, was auf mich zukam, wenn Dad in meinem Zimmer nachsah.
    Ich stellte meinen Fuß in eine Spalte im Stamm und zog mich am untersten Ast hoch.
    »Hey! Ich habe für dich einen Nagel eingeschlagen.«
    Ich betrachtete den Stamm. Ein glänzender Nagel schaute heraus.
    »Extra gekauft!«
    »So etwas brauche ich doch nicht.« Ich schlang die Arme um den nächsten Ast und hangelte mich hinauf.
    »Hab mir sogar auf den Daumen geklopft«, log er und hielt wie zum Beweis zwei völlig heile Daumen hoch. Eine Haarsträhne fiel über das verletzte Auge, das schon nicht mehr ganz so geschwollen war, und er strich sie aus der Stirn.
    Ich stand auf einer Astgabel und lehnte mich an den Stamm. Heute Abend trug er eine weiße Weste statt seiner roten und seine Jeans waren lang. Und dann sah ich es: Er hatte tatsächlich zwei Kinositze auf den Baum hochgeschafft, genau an die Stelle, wo sich der Stamm in drei Hauptgabelungen teilte.
    Er lachte und verfiel in einen Redeschwall. »Die sind vom Sperrmüll. Mein Vater meinte, ich kann sie nehmen. Hab ihm natürlich nicht gesagt, wozu, sonst hätte er meinen Kopf als Andenken mitgenommen. Ich konnte es kaum erwarten, dass du kommst und es dir ansiehst. Hier, ich hab sie mit Klammern montiert, mit allem Drum und Dran.«
    »Genial«, sagte ich.
    Er klopfte auf den Sitz neben seinem. Er war mit Samt überzogen. »Ich hab auch noch ’ne Überraschung für dich. Ich freu mich so, dass du da bist …«
    Er erzählte, was sie sonst noch alles auf dem Sperrmüll gefunden hatten, und war ganz aufgeregt, doch es fiel mir schwer, ihm zuzuhören.
    Durch die Blätter der Eiche sah ich im Mondschein die schwankenden zarten Blüten über dem Mais und die langen Saatreihen, die man unten, wenn man zwischen ihnen stand, nie erkennen konnte. Ich sah die hohen Bäume am Bachufer, die Wohnwagen auf der Koppel und die Weißdornhecke, die die Wiese begrenzte, und unseren Garten und den Pick-up.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte Trick und stieß mich mit der Schulter an.
    Ich gab einen erschöpften Laut von mir, dann erzählte ich ihm alles. Dass Matty mich verraten hatte, dass Dad kaum ein Wort mit mir sprach, dass Sam immer weg war. Er sagte nichts, bis ich ihm die Sache von seiner Mutter und dem Wasser erzählte.
    »Sie ist zu euch nach Hause gekommen? Lieber Himmel! Sie macht alles nur noch schlimmer. Was hat dein Vater gesagt?«
    »Er hat ihr nicht geglaubt.«
    Trick lächelte grimmig und betrachtete eingehend unsere Fußspitzen. »Wer hätte ihr das denn schon geglaubt. Als würden

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