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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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von mir halten würde, weil ich ungehorsam gegen meinen Vater war, doch dann lächelte sie und ihre braunen Augen waren hübscher denn je. Als sie auf mich zukam, wehte der Wind ihre langen Haare zur Seite, die im Sonnenlicht feuerrot glänzten.
    Ihre Fingernägel waren türkisfarben lackiert und mir fiel auf, dass sich ihre Nackenhärchen ringelten, so wie bei Mum. Ich wusste genau, wie es sich anfühlt, wenn man sie berührt – warm, seidig und weich. Sie roch nach Himbeeren und Waschmittel und ein kleines bisschen nach Rauch.
    Meine Glieder fühlten sich an wie Schokopudding. Ich hoffte, sie würde endlich etwas sagen, denn mir hatte es komplett die Sprache verschlagen.
    Die goldenen Armreifen klimperten an ihrem schmalen Handgelenk, als sie den Eimer nahm. Sie legte den Kopf schief.
    »Du bist ein nettes Mädchen«, sagte sie und drückte mit ihrer freien Hand meine Schulter. »Ein gutes Mädchen, denke ich. Sag unserem Patrick nichts davon, dass ich bei euch gewesen bin. Es würde ihm nicht gefallen. Stolz wie sein Vater, dieser Junge …«
    Ich schüttelte den Kopf und überlegte fieberhaft, was ich sagen könnte.
    »Wenn ich es mir recht überlege, ist es wohl besser, du gehst schnell wieder nach Hause, ehe dich irgendjemand sieht.«
    Sie drehte sich um und trug das Wasser in ihren Wohnwagen und ich blieb schweigend stehen. Ich spürte noch die Stelle an meiner Schulter, wo sie mich berührt hatte.
    In der Zwischenzeit waren die Mädchen wieder an die unterste Stufe zurückgekommen. Sie hielten die Hände vor den Mund und kicherten. Ihr Lachen riss mich aus meiner Erstarrung und ich rannte nach Silverweed zurück.

Siebzehn
    D ad hatte wieder damit begonnen, Mums Lieder aufzulegen und mitzusingen. Tagsüber, wenn er arbeitete oder im Haus etwas erledigte, klang seine Stimme angenehm, aber nachts, wenn er getrunken hatte, war sie brüchig und rau.
    Er sang These Arms of Mine und Stand by Me, und es war klar, dass er die CDs in der Schuhschachtel neben dem Fernseher durchsucht hatte; es waren die, die sie immer gespielt hatte, wenn er in der Kneipe war. Ich zerknüllte Toilettenpapier, stopfte es in meine Ohren und steckte den Kopf unter die Bettdecke. Aber die selbst gemachten Ohrstöpsel fielen heraus, und unter der Decke wurde es heiß und ich schwitzte, und überhaupt wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich in einer Art heruntergekommenem Tierheim lebte statt im Haus einer liebenden Familie. Es dauerte ewig, bis ich endlich in den Schlaf fand.
    An diesem Abend schaute Dad Natursendungen im Wohnzimmer und arbeitete dabei einen Sixpack ab. Das war eine neue Angewohnheit von ihm. Statt in die Kneipe zu gehen, sah er fern, bis er betrunken genug war, um Mums Lieder zu spielen. Manchmal leistete ich ihm vor dem Fernseher Gesellschaft, aber meistens blieb ich in meinem Zimmer und las. Wenn er betrunken war, sah er immer so schrecklich traurig aus.
    Meine Augen brannten, als ich uns beiden eine Schokolade machte; das kam vom Schlafmangel. Er schenkte sich eine Tasse ein, und beinahe hätte er mich angelächelt, aber dann fiel ihm wieder ein, wie sehr ich ihn enttäuscht hatte. Ich konnte es an seinem Gesichtsausdruck ablesen.
    Ich kippte meine Schokolade hinunter und kehrte in mein Zimmer zurück.
    Ich legte mich mit meinem Buch aufs Bett, aber ich konnte mich nicht aufs Lesen konzentrieren. Ich hatte die heiße Schokolade zu lange in der Mikrowelle gelassen und mir den Mund verbrannt. In meinem Zimmer war eine Stechmücke, sie sirrte um meine Ohren. An Schlaf war nicht zu denken. Die Ohrstöpsel aus Toilettenpapier lagen auf meinem Nachttischchen bereit. Ich sah aus dem Fenster. Wartete Trick in unserm Versteck im Maisfeld auf mich? Mein Zimmer lag im Erdgeschoss. Es war ganz einfach, das Fenster aufzumachen und hinauszuklettern.
    Die Stechmücke sirrte an mir vorbei, und ich stand auf, um sie zu jagen, aber sie war schon wieder weg. Aus dem Wohnzimmer kamen die Anfangstakte von Stand by Me. Ich hielt es keine Sekunde länger aus.
    Ohne lange nachzudenken, kletterte ich auf meinen Schreibtisch, sprang aus dem Fenster und stand im Vorgarten.
    Ein Windhauch fuhr durch den Rosenstrauch vor meinem Fenster, als ich mich auf den Boden duckte und lauschte. Es war fast elf Uhr, ich war froh, dass ich Dads schrägen Gesang nicht anhören musste, aber das schlechte Gewissen lauerte zusammengerollt wie ein kleines Tier in meinem Bauch.
    Um zur Koppel zu gelangen, musste ich ausgerechnet an der Hausseite entlang, wo Dad

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