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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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er.
    Ich goss das rötliche Wasser in den Abguss.
    »Ich weiß es sowieso«, sagte er. »Ist doch offensichtlich.«
    »Warum fragst du dann?«
    »Du solltest auf dich aufpassen, Iris.«
    Mein Herz raste. Ich spülte sorgfältig die Schüssel aus, damit Sam mein Gesicht nicht sah.
    »Er ist von seiner letzten Schule geflogen, weil er jemanden zusammengeschlagen hat, weißt du das?«
    Meine Anspannung ließ nach. »Oh. Natürlich weiß ich das.«
    »Danach waren beide krankenhausreif.«
    »Das war nicht seine Schuld.«
    Sam erwiderte nichts, aber ich wusste genau, was er dachte: nämlich, dass ich eine Idiotin war.
    Die Uhr tickte und der Wasserhahn tropfte.
    »Du behältst es für dich, oder?«, fragte ich.
    Er betrachtete seine geschwollenen und aufgeschürften Handknöchel so lange, dass ich schon dachte, er hätte meine Frage vergessen.
    »Klar doch«, sagte er, und als ich seinen Tonfall hörte, schämte ich mich, dass ich ihn überhaupt erst gefragt hatte.
    Seine Haare wuchsen bereits wieder nach, sie waren jetzt so flauschig wie das Fell einer neugeborenen Katze oder wie ein abgewetzter Tennisball; das war garantiert nicht der Look, der ihm gefiel.
    »Dein Kopf sieht aus wie ein alter Tennisball.«
    »Das sagt gerade die Richtige. Weißt du eigentlich, dass du einen kleinen Zweig in deinen Haaren hast?«
    Ich starrte ihn an, aber sein Blick war neckend.
    »Zigeuner«, sagte er, und ich warf ihm den Zweig ins Gesicht.
    »Sie sind keine Zigeuner. Du hast keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Dann eben Rumtreiber. Lumpenpack. Ist doch egal.«
    Ich verdrehte die Augen.
    »Nenn sie, wie du willst. Hauptsache, sie verschwinden möglichst bald.«
    Er verzog beim Reden das Gesicht, alles Schelmische war daraus verschwunden. Mit dem fast ganz zugeschwollenen linken Auge und der dicken Lippe sah er aus wie ein Fremder. Ständig tastete er sein Gesicht ab, als wäre es ihm selbst fremd, und ich hätte ihn am liebsten gefragt, wer er war und was er in unserer Küche zu suchen hatte.
    Aber ich ließ es bleiben. Stattdessen fragte ich ihn noch einmal, was passiert war.
    Er sah mich an und zögerte.
    »Ich kann ja wohl schlecht etwas ausplaudern, oder?«, sagte ich.
    Er war nervös, aber er brannte darauf, mit mir darüber zu sprechen, also wartete ich, so wie es Trick auch gemacht hätte.
    »Versprich mir, dass du die Klappe hältst, Pilli. Das ist mein Ernst.«
    »Wann hätte ich je die Klappe nicht gehalten?«
    »Ja, aber diesmal ist es übel«, sagte er.
    Er sprach ganz leise. Ich beugte mich zu ihm und strich mir Haare hinter die Ohren, damit ich ihn besser verstehen konnte.
    »Punky hat jemanden mit dem Messer verletzt«, begann er. »Ich wusste schon, als er kam, dass irgendetwas im Busch war. Er sagte nicht mal Hallo, sondern hockte sich nur hin, den Kopf zwischen die Knie, und machte Spuckepfützen auf den Boden. Manchmal ist er so. Nicht einmal mit Leanne hat er reden wollen. Sie saß neben ihm, küsste ihn und so weiter, aber er beachtete sie gar nicht.
    Dann kam der Bus aus der Stadt und diese Typen stiegen aus, alle in coolen Klamotten. Er sagte etwas wie: ›Hübsche T-Shirts! Kauft ihr die gemeinsam ein?‹ Nannte sie schwul und so. Anfangs haben sie ihn nicht beachtet, aber er hat einfach nicht aufgehört. Dann beschimpfte er sie, weil sie ihm keine Antwort gaben. Schließlich drehte sich einer von denen um und Punky verpasste ihm einfach eine Kopfnuss.«
    Ich nickte ihm aufmunternd zu. Sein linker Fuß wackelte nervös, aber schließlich redete Sam weiter.
    »Er war keine zehn Minuten da, und schon gab es eine Schlägerei. Es waren fünf gegen drei. Die Leute kamen aus der Frittenbude und riefen, dass wir sofort aufhören sollten, dass sie die Polizei holen würden, aber tatsächlich rührte sich keiner vom Fleck. Ich hab ein paar ordentliche Schläge ausgeteilt, aber dann hat sich ein Zweiter auf mich gestürzt und ich bin auf der Erde gelandet und hab Prügel eingesteckt.
    Ich konnte gar nichts machen, ich lag einfach nur da und schützte meinen Kopf. Ich dachte, ich würde nie wieder aufstehen, ich war so fix und fertig, dass ich keine Luft mehr bekam. Und ich hatte meinen Inhalator zu Hause gelassen. Dann war plötzlich alles still. Einfach so. Ich blicke hoch, blinzle zwischen den Fingern hindurch und denke, wo sind diese Schweine, aber es ist nur Punky. Er steht über mir, und die Typen aus der Stadt sind ruhig, denn er hält ein Messer in der Hand.«
    Er sah mich an. Ich verzog keine Miene, denn ich

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