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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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wollte nicht, dass er zu reden aufhörte.
    »Es war nur ein Teppichmesser, aber mit der vorgeschobenen Klinge sah es wirklich gefährlich aus. Alle wichen vor ihm zurück. Die Leute vom Imbiss riefen wieder irgendwas von der Polizei, aber Punky war das egal.
    Er grinste die Typen aus der Stadt an und fragte, ob sie es immer noch wagen würden, mir einen Tritt zu versetzen, aber da war ich schon auf den Beinen. Keiner von ihnen machte den Mund auf. Und dann, aus welchem Grund auch immer, griff derjenige, der die Kopfnuss verpasst bekommen hatte, Punky an, und der zückte das Messer und schnitt ihm hier an dieser Stelle die Haut auf.«
    Er deutete auf die Hautfalte zwischen Daumen und Zeigefinger und mir lief es dabei kalt den Rücken hinunter. Ich drückte kurz die Augen zu.
    »Oh mein Gott.«
    »Ja. Das Verrückteste daran war, dass der Typ nicht mal geschrien hat. Er lief grün an und das Blut spritzte über seine Baumwollhose.«
    Schweigend sahen wir uns an.
    »Und ausgerechnet du gibst mir Ratschläge, dass ich aufpassen soll?«, sagte ich schließlich.
    Sam versuchte zu lachen, aber er hatte Angst. Und er war aufgeregt. Seine Augen flackerten im Schein der Lampe. »Das hat er noch nie gemacht. Er konnte es selbst nicht fassen. Später, auf dem Sportplatz, hat er das immer wieder gesagt. ›Ich habe jemanden verletzt. Ich fasse es nicht. Ich habe jemanden mit dem Messer verletzt.‹«
    Danach saßen wir noch lange am Tisch. Sam machte für uns beide heiße Malzmilch, was aber auch kein Trost für uns war.

Zwanzig
    A m Donnerstagabend kam Dads Freund Fraz auf dem Drahtesel vorbei. Ich hatte zwar keine Lust, mit ihm zu reden, aber ich musste ihn trotzdem die ganze Zeit anstarren. Er sah anders aus als sonst. Er hatte jetzt einen buschigen roten Bart, der aber kaum die Narben verdeckte, die darunter hervorzukriechen und nach seinen Augen zu greifen schienen.
    »Verdammtes Mistding.« Fraz stieg fluchend vom Rad und kickte es in den Graben.
    Immer wenn ich ihn sah, musste ich an seine Exfrau Mandy denken. Am Tag nach seiner Hochzeit war er mit ihr vorbeigekommen, um sie Mum und Dad vorzustellen. Unter ihrer Motorradkluft hatte sie enge Jeans getragen und beim Sprechen hatte sie mit dem Kopf gewackelt. Mum hatte Spaghetti Bolognese gekocht und sie über alle möglichen Dinge ausgefragt. Zu viert waren sie mit ihren Gläsern am Küchentisch gesessen – noch lange, nachdem Sam und ich ins Bett geschickt worden waren.
    Später wachte ich auf und hörte, wie unser Wohnzimmer auseinandergenommen wurde. Als wir in die Küche kamen, zerrte Fraz Mandy gerade an den Haaren aus der Tür. Dad versuchte, die beiden zu trennen. Mum schrie uns an und schickte uns zurück nach oben. Sie schlug die Küchentür vor unserer Nase zu, aber wir blieben auf dem Treppenabsatz stehen und lauschten. Sie schafften es, Fraz auszusperren, und er brüllte und fluchte von draußen, bis die Polizei kam und ihn verhaftete.
    Zum Frühstück war Mandy immer noch da, mit verlaufener Wimperntusche saß sie am Küchentisch. Sie starrte ihre Rühreier an und wackelte mit dem Kopf und Mum versuchte, mit ihr über die nächsten Schritte zu reden.
    Wir fanden nie heraus, was wirklich passiert war, und auch Mandy sahen wir nie wieder. Aber am Tag danach fuhr Fraz sein Motorrad zu Schrott. Alle sagten, dass er von Glück reden konnte, noch am Leben zu sein. Der Asphalt hatte die Haut von seiner rechten Hand bis zum rechten Ohr aufgerissen und sein Bein war zertrümmert.
    Dad wollte ihn im Krankenhaus besuchen, aber Mum war sauer. Weshalb wollte er einen Typen besuchen, der seine Ehefrau schlägt? Warum hatte er überhaupt solche Freunde? Dad antwortete, dass er Fraz seit seinem ersten Schultag kannte und ihm so etwas nicht egal sein konnte, aber Mum ließ das nicht gelten und sagte, Fraz soll sich ja nicht mehr bei uns blicken lassen.
    Schließlich ging Dad doch zu Fraz. Er war der Einzige außer seiner Familie, der ihn im Krankenhaus besuchte. Seitdem fing Fraz jedes Mal davon an, wenn er uns besuchte.
    »Mein einzig wahrer Freund«, rief er immer und drückte Dad so fest, dass er ihm fast das Genick brach. Mum polterte in der Zwischenzeit lautstark im Obergeschoss, bis er und Dad zum Angeln oder in die Kneipe gingen.
    Seit seinem Unfall war Fraz nicht mehr auf sein Motorrad gestiegen. Seine Hände zitterten so sehr, dass er die Griffe nicht halten konnte. Deshalb war er ständig auf seinem zerbeulten Fahrrad unterwegs. Jetzt ließ er es mit den Rädern in

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