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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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mitlachen.
    »Hältst zurzeit nicht besonders viel von mir, was, Pilli?«
    Ich betrachtete ihn, wie er mit übergeschlagenen Beinen auf dem Boden saß und die Tasse in beiden Händen hielt, als wollte er sich daran wärmen. Seine braunen Augen blickten traurig, trotz des Grübchens auf seinem Kinn. Auf seinen Wangen waren rote Druckstellen, wo er den ganzen Tag mit dem Gesicht nach unten gelegen hatte.
    »Stimmt nicht«, sagte ich schließlich. »Du bist zurzeit nur nicht du selbst.«
    Selbstbewusst breitete er seine Arme aus. »Doch, Augäpfelchen, das bin ich. Gewöhn dich dran.«
    Ich schüttelte den Kopf. Wir sahen uns an, bis sein Lächeln plötzlich verschwand.
    »Scheiße! Was soll ich denn sagen? Wenn er mich fragt, warum ich das gemacht habe? Was soll ich ihm sagen?«
    Ich zuckte die Schultern. »Sag einfach, was passiert ist.«
    Er seufzte und sog die Luft durch die Nase ein. Seine Augen blickten plötzlich matt und leer.
    »Ich bin besoffen«, sagte er mit gerunzelter Stirn, dann fing er plötzlich an zu lachen. »Ich bin unbesiegbar!« Er sprang auf und drehte sich um die eigene Achse. »Uiiiii!« Die Küchentür flog auf und Dad rief herauf: »Essen ist fertig«!
    Sam erstarrte. »Ich bin tot. T-o-t.«
    »Bist du nicht. Putz dir einfach die Zähne und halt die Klappe.«
    Bevor ich die Treppe hinunterging, warf ich einen Blick über die Schulter. Sam hielt sich mit der Linken am Geländer fest und ließ die rechte Hand mit gespreizten Fingern an der Wand entlanggleiten. Seine Mundwinkel hoben sich mehrmals zu einem Grinsen und sackten wieder nach unten. Er sah aus wie ein Geisteskranker.
    »Zähne«, zischte ich und zeigte auf die Badezimmertür. »Du hast eine Fahne.«
    »Ich bin tot«, kicherte er, während er sich die Zähne putzte und Pfefferminzschaum aus seinem Mund tropfte. Ich zwang ihn dazu, sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen, so lange, bis er wütend wurde.
    Dann überließ ich ihn sich selbst und ging in die Küche, während er sich mit einem Handtuch den Hals trocknete.

Dreiundzwanzig
    D ad fuhr mit einem Messer am Rand der Auflaufform entlang und kratzte den verkrusteten Käse und die angebrannten Tomaten ab, damit wir nur die besten Portionen bekamen.
    »Hast du richtig Hunger?«, fragte er.
    »Riesenhunger«, sagte ich, obwohl ich viel zu nervös war, um zu essen. Er schaufelte eine Riesenportion dampfender Lasagne auf meinen Teller.
    »Alles okay mit Sam?«, fragte er.
    »Er kommt gleich«, sagte ich und schob die Lasagne mit der Gabel zu einem ordentlichen Türmchen. Ich wich seinem Blick aus. »Er ist noch auf dem Klo.«
    Im Radio lief Popmusik, um die Leute in die richtige Stimmung für den Freitagabend zu versetzen, aber die schnellen Beats und die schrillen Töne jagten meinen Puls hoch und versetzten mich in Panik. Ich stand auf und schaltete auf den Lokalsender um.
    Dad sang mit. »Oh, how I want to break free …«
    Als sich unsere Blicke trafen, schloss er die Augen, als wäre er ganz in der Musik versunken, und ich musste lächeln, weil er ein ziemlich schlechter Schauspieler war.
    Er stellte zwei weitere randvolle Teller auf den Tisch und holte das Knoblauchbrot aus dem Herd.
    »H-h-h-heiß«, sagte er, als er es mit bloßen Händen auf den Tisch stellte.
    »Warum nimmst du nicht Ofenhandschuhe?«, fragte ich, denn das war zu unserem Ritual geworden, seit er versehentlich unsere Ofenhandschuhe in Brand gesteckt hatte. Dann ging die Tür auf und Sam kam herein.
    Seine Augen waren rot, aber wenigstens wirkte er einigermaßen nüchtern. Zumindest kicherte er nicht und auch das Dauergrinsen hatte er abgestellt. Der Kragen seines T-Shirts war noch feucht und seine Klamotten waren zerknittert, weil er den ganzen Tag darauf gelegen war. Er stank nach Aftershave.
    »Esst, solange es noch heiß ist«, sagte Dad und seine Stimme klang unnatürlich und schrill. Er setzte sich und zerteilte sein Essen mit der Gabel. Dann schaufelte er die Lasagne in seinen Mund, obwohl er sich dabei sicher den Gaumen verbrannte. Ohne mit dem Kauen aufzuhören, fächelte er sich Luft zu.
    Ich stocherte mit dem Messer in meiner Lasagne und verteilte sie auf dem Teller, damit sie schneller abkühlte. Die Ananas dampfte immer noch. Neben mir schnitt Sam seine Portion in Streifen. Mit dem Messer hob er die einzelnen Teigschichten an und pustete.
    Heute las Dad ausnahmsweise nicht beim Essen. Er sah aus dem Fenster und beobachtete die Blaumeisen und Rotkehlchen und die Wintergoldhähnchen am Vogelhaus.

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