Wen liebst du, wenn ich tot bin?
ich, dass ich laut schrie.
Die Zeit verging quälend langsam, als ich neben Sam saß. Er war auf die Seite gefallen, ein Arm lag angewinkelt an seinem Körper, der andere war ausgestreckt, als wolle er nach etwas greifen. Er hatte die Augen geschlossen und aus der Wunde an der Schläfe tropfte Blut. Ein dünnes rotes Rinnsal lief ihm über Auge und Nase.
Ich konnte nicht anders, ich rief immerzu seinen Namen.
Punky war schon bei seinem Motorrad.
»Fahr zu einer Telefonzelle und ruf einen Krankenwagen. Ich warte hier«, sagte ich, aber er hörte mir nicht zu.
Leanne zupfte ihn am Ärmel. »James, wir müssen zur Telefonzelle fahren.«
Punky achtete nicht auf sie. Er sprach mit Dean. »Ich bringe Lee nach Hause, dann lass ich das Motorrad verschwinden. Und du haust einfach ab.«
Dean nickte, drehte sich um und rannte los. Ich rief ihm hinterher, bat ihn, einen Krankenwagen zu verständigen.
Leanne weinte jetzt, ihre Tränen waren schwarz von ihrem Lidschatten, und ich wunderte mich, dass ich noch vor wenigen Minuten Angst vor ihr gehabt hatte.
Punky trat den Kickstarter.
»Steig auf«, rief er. »Mach schon.«
Leanne machte den Mund auf und wollte etwas sagen, aber Punky ließ den Motor noch einmal aufjaulen. Sie stieg auf und klammerte sich an seinem Rücken fest wie ein kleines Äffchen.
Der Pitbull jagte hinter ihnen her.
Meine Benommenheit wich allmählich. Es war, als würde ich aufwachen. Ich fühlte Sams Puls, stellte ihm Fragen. Ich fühlte sein Herz schlagen, stark und kräftig.
»Geh und ruf einen Krankenwagen«, sagte Trick. Seine Stimme war tonlos und brüchig, und ich bemerkte erst jetzt, dass er das schon die ganze Zeit gesagt hatte. »Ich warte hier. Geh du und ruf einen Krankenwagen.«
Ich wollte gerade losrennen, als Sam plötzlich anfing zu zittern. Er lag auf dem Rücken, sein Rumpf und seine Glieder bebten unkontrolliert. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich prüfte, ob sein Kopf vielleicht auf etwas Hartem lag, obwohl man ja sah, dass der Boden mit Steinen übersät war.
Roter Schaum sammelte sich in seinen Mundwinkeln, Blut vermischt mit Spucke. Er quoll aus seinem Mund und ich wischte ihn mit dem Zipfel meines T-Shirts weg. Ich flehte Sam an aufzuwachen und versicherte ihm, dass alles wieder gut werden würde, und immerzu sickerte Blut über seine Schläfe.
Ich schrie Trick an, er solle sich bloß nicht unterstehen, meinen Bruder allein zu lassen, dann ging ich, um Hilfe zu holen.
Fünfundzwanzig
M eine Zähne schlugen aufeinander und meine Lungen waren am Zerbersten, als ich endlich die Koppel erreichte. Den Wohnwagen von Tricks Onkel hatten sie inzwischen so gestellt, dass er die Zufahrt versperrte. Nan machte ein erschrockenes Gesicht, als sie mich sah. Sie stand im Eingang ihres Wohnwagens und trug jetzt eine lange Strickjacke. Der Traktor machte einen Höllenlärm. Der kleine Hund schnappte nach ihren Knöcheln, aber ich konnte ihn nicht hören. Hinter ihr sah ich die Füße eines der kleinen Mädchen hervorspitzen. Die Windhunde bellten die Traktorreifen an und scharrten in der Erde.
Sobald man in die Lichtkegel der Traktorscheinwerfer geriet, sah man von der Umgebung so gut wie nichts mehr. Dad hatte sich vor einem der Wohnwagen niedergebückt. Die Anhängerkupplung war mit Ketten gesichert und mit Holzbalken abgestützt. Dad ächzte vor Anstrengung, als er sie anheben wollte. Das Geschirrtuch, mit dem er seine Faust umwickelt hatte, war ganz schwarz von Schmiere.
»Was ist?«, schrie er und übertönte den Lärm des laufenden Motors. Er war verärgert über die Störung – bis er meinen Gesichtsausdruck bemerkte.
»Wo ist Sam?«, fragte er.
»Es hat einen Unfall gegeben«, stieß ich mit zittriger Stimme hervor. »Ich habe einen Krankenwagen gerufen.«
Er gab dem Schweinefarmer einen Wink und forderte ihn auf, sofort den verdammten Motor abzustellen. Der Traktor stotterte, dann erstarb der Motor. Die Scheinwerfer erloschen. Es stank nach Auspuffgasen.
»Sie … sie haben gekämpft«, stammelte ich. »Sam ist verletzt. Er liegt oben auf der Straße. Der Krankenwagen kommt.«
Im Mondlicht sah man, dass Dad ganz grau im Gesicht geworden war. Er legte die Hand auf meine Schulter und schien eine Frage stellen zu wollen, doch dann nahm er Fraz wortlos die Taschenlampe aus der Hand und ging los. Ich folgte ihm, lief über das Feld, stolperte über lange Grasbüschel. Irgendwo vor meinen Füßen flog ein Vogel auf.
Ich rechnete damit, jeden Moment hinzufallen,
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